Steuertermine
10.10. Umsatzsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 13.10. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen. |
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10.11. Umsatzsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 13.11. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. |
17.11. Gewerbesteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 20.11. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen. |
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Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge Oktober 2025
Die Beiträge sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankenarbeitstag eines Monats fällig. Für Oktober ergibt sich demnach als Fälligkeitstermin der 29.10.2025.
(In Bundesländern, in denen der 31.10.2025 (Reformationstag) ein Feiertag ist, verschiebt sich der Abgabe-/Zahlungstermin auf den 28.10.2025.)
Inhalt:
- Für alle Steuerpflichtigen: Schenkungszeitpunkt bei gemischt-freigebiger Grundstücksschenkung
- Für alle Steuerpflichtigen: Nicht ausgleichsfähige Verluste bei Steuerstundungsmodellen
- Für Erben: Kosten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft als Nachlassverbindlichkeiten
- Für Unternehmer: Korrektur einer jahresübergreifenden Umsatzverlagerung
- Für Unternehmer: Der Fiskus darf nicht immer schätzen!
- Für Personengesellschaften: Änderung im Gesellschafterbestand bei Grundbesitz in der Gesellschaft
- Für Kapitalgesellschaften: Verlustrücktrag bei Verschmelzung
- Für Unternehmer: Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises für eine private Fahrzeugnutzung
1. Für alle Steuerpflichtigen: Schenkungszeitpunkt bei gemischt-freigebiger Grundstücksschenkung
Die Übertragung eines Grundstücks gegen teilweise Gegenleistung ist ein häufiger Gestaltungsfall im Schenkungsteuerrecht. Oft wird ein Grundstück durch eine als Schenkung gedachte Vereinbarung übertragen, wobei die Empfängerin dem Übergeber im Gegenzug verschiedene Leistungen schuldet, etwa eine Rentenzahlung, Pflege oder ein Wohnrecht. Solche sogenannten gemischten Schenkungen werfen regelmäßig die Frage auf, wann sie steuerlich als »ausgeführt« gelten – also ab wann die Schenkungsteuer entsteht. Besonders kompliziert wird es, wenn der Vollzug des Vertrags durch Bedingungen wie eine Kaufpreiszahlung hinausgezögert wird. Genau mit dieser Problematik hatten sich die Richter des Bundesfinanzhofs in ihrer Entscheidung vom 21.8.2024 unter dem Aktenzeichen II R 11/21 zu befassen.
Im konkreten Fall hatte eine Steuerpflichtige P mit notariellem Vertrag vom 9.10.2012 ihr Mietshaus an die Klägerin übertragen. Als Gegenleistung war ein Barkaufpreis in Höhe von 260.000 Euro sowie eine monatliche Rente von 1.000 Euro vereinbart worden. Zusätzlich sollte die Erwerberin P im Bedarfsfall pflegen, kochen, waschen und zu Ärzten oder Apotheken begleiten. Außerdem behielt sich P ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an einer der Wohnungen vor. Der Jahreswert dieses Wohnrechts wurde mit 12.000 Euro angegeben. Die Zahlung des Kaufpreises sollte bis spätestens 1.2.2013 auf ein Notaranderkonto erfolgen. Eine Übergabe des Grundstücks war an diese Zahlung gekoppelt. Auch der Notar durfte mit der Eigentumsumschreibung erst tätig werden, sobald ihm die Zahlung nachgewiesen worden war.
Doch noch bevor es zur Eintragung kam, verstarb P am 24.11.2012. Die Klägerin wurde daraufhin Erbin und später im Februar 2013 auch als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Das Finanzamt setzte daraufhin Schenkungsteuer fest. Es bewertete die Übertragung als gemischte Schenkung, bei der die übernommenen Verpflichtungen der Klägerin deutlich unter dem Marktwert des Grundstücks lagen. Die gewährten Renten- und Pflegeleistungen sowie das Wohnrecht wurden nach § 14 Absatz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) jedoch steuerlich nicht berücksichtigt, da sie wegen des Todes der Schenkerin nicht mehr erbracht worden waren.
Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein. Sie argumentierte, dass die Schenkung gar nicht ausgeführt worden sei, da der Eigentumswechsel erst nach dem Tod erfolgt sei. Außerdem wandte sie sich gegen die Anwendung des Bewertungsgesetzes auf die Renten- und Pflegeleistungen. Nachdem das Finanzgericht Hamburg mit Urteil vom 27.5.2020 unter dem Aktenzeichen 3 K 122/18 die Klage abgewiesen hatte, landete der Fall beim Bundesfinanzhof.
Die obersten Finanzrichter hoben das Urteil des Finanzgerichts aus formellen Gründen zunächst auf, weil zwischenzeitlich ein geänderter Schenkungsteuerbescheid ergangen war. Materiell befassten sie sich ausführlich mit der Frage, wann eine Grundstücksschenkung als ausgeführt gilt. Dabei stellten sie klar: Eine Schenkung unter Lebenden ist erst dann steuerlich relevant, wenn der Schenker alles zur Übertragung Erforderliche getan hat und der Beschenkte rechtlich in der Lage ist, den Eigentumswechsel selbst zu bewirken.
Wenn aber – wie im vorliegenden Fall – eine sogenannte Vollzugshemmung vereinbart wurde, also eine Bedingung wie die Zahlung des Kaufpreises erfüllt sein muss, ist die Schenkung erst mit Erfüllung dieser Bedingung ausgeführt. Die bloße Unterzeichnung eines notariellen Vertrags reicht dann nicht aus.
Im vorliegenden Fall war vertraglich geregelt, dass der Notar die Auflassung erst bei Zahlung des Kaufpreises einreichen durfte. Das Gericht konnte aber nicht feststellen, wann genau diese Zahlung erfolgt war. Deshalb verwiesen die Richter den Fall zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurück. Sie wiesen zudem darauf hin, dass die bisherige steuerliche Nichtberücksichtigung der Pflege- und Rentenverpflichtung nach § 14 Absatz 2 BewG rechtmäßig ist. Die Anwendung dieser Vorschrift sei nicht auf bestimmte Arten von Verpflichtungen beschränkt, sondern gelte auch für Leistungen, die wegen des Todes der Schenkerin nicht mehr erbracht werden konnten.
Die Entscheidung verdeutlicht, wie wichtig die genaue vertragliche Gestaltung für die steuerliche Beurteilung von gemischten Schenkungen ist. Nur wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Grundstücksübertragung tatsächlich als Schenkung ausgeführt und damit besteuert werden. Ein bloß vereinbarter, aber nicht vollzogener Vertrag reicht nicht aus.
2. Für alle Steuerpflichtigen: Nicht ausgleichsfähige Verluste bei Steuerstundungsmodellen
Verluste aus geschlossenen Fonds, insbesondere bei atypischen Beteiligungen an Kommanditgesellschaften, führen immer wieder zu steuerlichen Auseinandersetzungen. Häufig ist dabei streitig, ob solche Verluste im Rahmen der Einkommensteuer mit anderen positiven Einkünften verrechnet werden dürfen oder ob sie nach § 15b des Einkommensteuergesetzes nur verrechenbar, aber nicht ausgleichsfähig sind. Genau diese Problematik stand im Mittelpunkt eines Verfahrens vor dem Finanzgericht Düsseldorf, das mit Urteil vom 15.11.2024 unter dem Aktenzeichen 10 K 1055/20 F entschieden wurde.
Im zugrunde liegenden Fall beteiligten sich verschiedene Anleger über eine Treuhandkommanditistin an der NJ. GmbH & Co. KG, die als Fondsgesellschaft konzipiert war. Diese sollte Investitionen in forstwirtschaftlich nutzbare Grundstücke und deren Bewirtschaftung tätigen. Der Gesellschaftsvertrag, der Verkaufsprospekt und eine Vielzahl begleitender Verträge waren bereits vor Eintritt der Anleger vollständig ausgestaltet. Die prognostizierten Ergebnisse zeigten für die ersten Jahre durchweg hohe Verluste – erst ab dem Jahr 2022 wurde mit positiven Rückflüssen gerechnet. Die Kläger machten geltend, dass es sich bei der Fondskonzeption nicht um ein sogenanntes Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b EStG handle. Sie argumentierten unter anderem, dass im Verkaufsprospekt nicht mit steuerlichen Vorteilen geworben worden sei und sich die Anleger vornehmlich aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen engagiert hätten. Das Hauptziel sei eine nachhaltige Produktion gewesen, nicht eine kurzfristige Steuerersparnis.
Dem folgte das Gericht nicht. Es stellte klar, dass für die Anwendung des § 15b EStG nicht erforderlich sei, dass im Prospekt ausdrücklich mit steuerlichen Vorteilen geworben werde oder dass die steuerlichen Vorteile das alleinige oder primäre Ziel der Anlageentscheidung seien. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Fondskonzeption objektiv so ausgestaltet war, dass dem Anleger durch ein vorgefertigtes Konzept steuerliche Verluste in der Anfangsphase ermöglicht, werden sollten. Dies sei hier eindeutig der Fall. Der Verkaufsprospekt sah für die ersten Jahre keine Umsatzerlöse, aber umfangreiche Ausgaben vor. Schon daraus sei ersichtlich, dass die Konzeption auf Verluste in den Anfangsjahren angelegt war. Selbst wenn Anleger aus anderen Motiven beigetreten seien, ändere dies nichts am objektiven Charakter der Gestaltung.
Entscheidend sei laut Gericht außerdem, dass der wirtschaftliche Erfolg des Modells zu einem erheblichen Teil auf steuerlichen Effekten beruhte. Da die Verluste in den Anfangsjahren mehr als 10 Prozent des eingesetzten Kapitals überstiegen, greife die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG. Auch wenn einzelne Anleger möglicherweise nur geringe Summen investiert hätten und keine hochdotierten Steuerspareffekte zu erwarten gewesen seien, spiele dies für die rechtliche Einordnung keine Rolle. Es komme nicht auf die individuelle Motivation des Anlegers an, sondern auf die objektive Struktur des Modells.
Das Finanzgericht Düsseldorf wies die Klage daher ab. Es bestätigte die Auffassung des Finanzamts, das die Verluste als nicht ausgleichsfähig im Sinne des § 15b EStG festgestellt hatte. Die Kläger müssen sich mit der Verrechnung der Verluste innerhalb der Fondsgesellschaft begnügen – eine sofortige steuerliche Entlastung durch Verrechnung mit anderen positiven Einkünften ist ausgeschlossen. Das Gericht ließ allerdings die Revision zu.
3. Für Erben: Kosten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft als Nachlassverbindlichkeiten
Wer ein Erbe antritt, muss sich nicht nur mit der Aufteilung des Nachlasses auseinandersetzen, sondern häufig auch mit der Frage, welche Kosten im Zusammenhang mit dieser Auseinandersetzung steuerlich abzugsfähig sind. Insbesondere bei einer Erbengemeinschaft kommt es regelmäßig zu Streitigkeiten, ob Ausgaben für Lagerung, Bewertung und Verkauf von Nachlassgegenständen im Rahmen der Erbauseinandersetzung als Nachlassverbindlichkeiten anerkannt werden. Die obersten Finanzrichter des Bundesfinanzhofs haben sich nun mit einem Fall befasst, der die steuerliche Abzugsfähigkeit solcher Kosten näher beleuchtet.
Im zugrundeliegenden Streitfall war die Klägerin Miterbin nach ihrer 2017 verstorbenen Mutter. Die Erblasserin hatte testamentarisch verfügt, dass verschiedene Angehörige feste Geldbeträge aus dem Nachlass erhalten sollten. Da die Eheleute bereits 2012 aus dem Ausland in eine Seniorenresidenz in Deutschland gezogen waren, mussten zahlreiche bewegliche Nachlassgegenstände ausgelagert werden. Hierzu wurde ein kostenpflichtiger Lagervertrag abgeschlossen. Nach dem Tod der Erblasserin setzte der eingesetzte Testamentsvollstrecker diesen Vertrag fort, ließ die Gegenstände durch eine Kunstexpertin inventarisieren und organisierte schließlich deren Versteigerung. Die dabei entstandenen Lager- und Honorarkosten machte er in der Erbschaftsteuererklärung der Klägerin anteilig als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Das zuständige Finanzamt erkannte diese Aufwendungen nicht an und stufte sie als nicht abzugsfähige Verwaltungskosten des Nachlasses ein. Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht Köln nur teilweise Erfolg: Während die Räumungskosten anerkannt wurden, wurden Lager- und Honorarkosten als zu weit zeitlich vom Todesfall entfernt und damit nicht mehr als unmittelbar veranlasst gewertet.
Der Bundesfinanzhof hob diese Entscheidung mit Urteil vom 21.8.2024 unter dem Aktenzeichen II R 43/22 auf. Er stellte klar, dass auch solche Kosten, die im Rahmen der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft für die Veräußerung beweglicher Nachlassgegenstände anfallen, als abzugsfähige Nachlassregelungskosten im Sinne des § 10 Absatz 5 Nummer 3 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) anzusehen sind. Entscheidend sei, dass die Auseinandersetzung in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers erfolgt und die Verwertung der Gegenstände dem Zweck diene, den testamentarisch bestimmten Geldbetrag für jeden Miterben bereitzustellen. Die Versteigerung diente also nicht der Vermögensmehrung oder -nutzung, sondern unmittelbar der Erfüllung des Erblasserwillens.
Der Bundesfinanzhof betonte zudem, dass die steuerliche Abziehbarkeit solcher Kosten weder davon abhängt, ob es sich um eine testamentarische oder gesetzliche Erbfolge handelt, noch ob kostengünstigere Alternativen bestanden hätten.
Die Entscheidung stärkt die Rechte von Erben, insbesondere in Fällen, in denen der Nachlass aufwendig aufbereitet werden muss, um eine Auseinandersetzung im Sinne der letztwilligen Verfügung zu ermöglichen. Damit wird klargestellt, dass auch notwendige organisatorische und logistische Maßnahmen, wie etwa Lagerung und professionelle Bewertung von Erbgegenständen, steuerlich anerkannt werden können – sofern sie in direktem Zusammenhang mit der Verteilung des Nachlasses stehen.
4. Für Unternehmer: Korrektur einer jahresübergreifenden Umsatzverlagerung
Im Umsatzsteuerrecht kommt es bei der Sollbesteuerung darauf an, dass die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem die Leistung ausgeführt worden ist – unabhängig davon, wann das Entgelt tatsächlich vereinnahmt wird. Dieses Prinzip aus § 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) soll sicherstellen, dass die Umsatzsteuer zeitlich korrekt erfasst und damit das Steueraufkommen gleichmäßig gesichert wird.
In der Praxis kommt es jedoch vor, dass Unternehmer Leistungen nicht zeitgerecht versteuern, sondern die Besteuerung erst mit der Entgeltvereinnahmung vornehmen. Ob und wie eine solche fehlerhafte zeitliche Zuordnung im Nachhinein berichtigt werden kann, wenn für den ursprünglichen Leistungszeitraum bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist, war Gegenstand des vorliegenden Urteils.
Die Klägerin, eine GmbH, führte in ihrer Werkstatt Fahrzeugreparaturen durch, deren Vergütung sie im Rahmen von Gewährleistungen erhielt. Obwohl sie nach vereinbarten Entgelten besteuerte, erfasste sie die Umsätze nicht zum Zeitpunkt der Leistungserbringung, sondern erst bei tatsächlichem Zahlungseingang – also nach dem Prinzip der Istbesteuerung, obwohl ihr keine Genehmigung dafür vorlag. Dies führte dazu, dass beispielsweise Leistungen aus dem Jahr 2012 erst im Jahr 2013 versteuert wurden. Im Rahmen einer Außenprüfung erkannte das Finanzamt diesen Fehler und nahm Korrekturen vor, indem es unter anderem die Bemessungsgrundlage für das Jahr 2013 um den damals noch offenen Vergütungssaldo aus 2012 erhöhte. Die Klägerin beantragte anschließend, diese Erhöhung wieder rückgängig zu machen, da die Leistungen bereits im Jahr 2012 ausgeführt worden seien und damit die Steuer zu Unrecht dem Jahr 2013 zugeordnet worden sei.
Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die Klage ab und begründete seine Entscheidung damit, dass durch die jahrelange Duldung der faktischen Istbesteuerung ein Vertrauenstatbestand entstanden sei. Daher müsse die zeitliche Verschiebung wie ein Wechsel von der Ist- zur Sollbesteuerung behandelt werden, bei dem gemäß § 20 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes sichergestellt werden müsse, dass kein Umsatz doppelt oder gar nicht besteuert wird. Da die Festsetzung für 2012 bereits verjährt sei, würde eine Rücknahme der Besteuerung im Jahr 2013 dazu führen, dass der betreffende Umsatz gar nicht mehr besteuert werden könnte. Das Gericht nahm daher eine analoge Anwendung des § 20 Satz 3 UStG an und verweigerte die beantragte Korrektur.
Die Klägerin legte Revision ein und bekam Recht. Der Bundesfinanzhof stellte mit Urteil vom 29.8.2024 unter dem Aktenzeichen V R 19/22 klar, dass der Unternehmer sehr wohl die Rechtswidrigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr der Entgeltvereinnahmung geltend machen kann, selbst wenn eine Korrektur für das Jahr der Leistungserbringung wegen Verjährung ausgeschlossen ist. Die obersten Finanzrichter erklärten, dass § 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a UStG unmissverständlich auf die Leistungserbringung als Zeitpunkt der Steuerentstehung verweist. Eine abweichende Behandlung wegen einer vermeintlichen Analogie zu § 20 Satz 3 UStG komme nicht in Betracht, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Vielmehr existiere mit § 174 Absatz 4 der Abgabenordnung (AO) eine Regelung, die bei irrtümlicher Beurteilung eines Sachverhalts eine nachträgliche Korrektur ermöglicht. Der Gesetzgeber habe die Korrekturmöglichkeiten umfassend geregelt und bewusst keine darüber hinausgehende Regelung für den vorliegenden Fall getroffen.
Zudem stellte das oberste Finanzgericht klar, dass eine analoge Anwendung des § 20 Satz 3 UStG auch deshalb unzulässig ist, weil der Wechsel zwischen Ist- und Sollbesteuerung eine andere rechtliche Konstellation darstellt als die fehlerhafte Anwendung der Steuerentstehungsregelung. Es fehle somit an der erforderlichen Vergleichbarkeit der Interessenlagen. Auch der Hinweis des Finanzamts auf den Grundsatz von Treu und Glauben konnte das Gericht nicht überzeugen, da dieser nicht geeignet ist, eine Verjährung zu durchbrechen oder eine gesetzlich vorgesehene Korrektur zu verhindern.
Der Bundesfinanzhof verpflichtete das Finanzamt daher, den Umsatzsteuerbescheid für 2013 zu ändern und die Bemessungsgrundlage, um den unzutreffend erfassten Vergütungssaldo aus dem Jahr 2012 zu reduzieren. Die Grundlage für diese Änderung bildete § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a AO. Das Gericht stellte klar, dass in diesem Fall das Ermessen der Finanzbehörde auf null reduziert ist, da der Bescheid in diesem Umfang rechtswidrig ist und korrigiert werden muss.
Mit diesem Urteil verdeutlichen die obersten Finanzrichter, dass die korrekte zeitliche Zuordnung von Umsätzen nach dem Umsatzsteuergesetz nicht durch analoge Auslegungen verwässert werden darf. Auch dann, wenn eine Korrektur des Ursprungsjahrs verjährt ist, kann eine rechtswidrige Steuerfestsetzung im Jahr der unzutreffenden Besteuerung korrigiert werden – dies gilt selbst dann, wenn dadurch eine steuerliche Lücke entsteht. Die Entscheidung unter dem Aktenzeichen V R 19/22 vom 29.8.2024 schafft damit wichtige Klarheit für die Praxis.
5. Für Unternehmer: Der Fiskus darf nicht immer schätzen!
Die Besteuerung von unentgeltlichen Sachentnahmen im Einzelhandel stellt eine regelmäßig wiederkehrende Herausforderung für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung dar. Besonders betrifft dies Unternehmer, die aus ihrem Betriebsvermögen Waren für den privaten Bedarf entnehmen.
Der Gesetzgeber verlangt für diese Entnahmen grundsätzlich eine genaue Aufzeichnung, da sie ertrag- und umsatzsteuerlich als Betriebseinnahmen gelten. Um den administrativen Aufwand für typische Branchen zu reduzieren, veröffentlicht das Bundesministerium der Finanzen regelmäßig Pauschbeträge, mit denen anstelle aufwendiger Einzelaufzeichnungen gearbeitet werden kann. Doch es stellt sich die Frage, welche Warengruppen von diesen Vereinfachungen erfasst sind – und ob etwa sogenannte Non-Food-Artikel wie Kosmetik, Haushaltswaren oder Bücher ebenfalls unter diese Regelung fallen.
Im Mittelpunkt des vom Bundesfinanzhof entschiedenen Falls vom 16.9.2024 unter dem Aktenzeichen III R 28/22 stand genau diese Abgrenzung. Ein Einzelhändler, der Supermärkte betrieb, hatte in den Jahren 2015 bis 2017 Waren aus dem Sortiment, darunter auch Non-Food-Produkte, für den privaten Gebrauch entnommen. Anstelle einer Einzelaufzeichnung dieser Entnahmen hatte er für sich und eine mit ihm zusammenlebende Person die vom Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten Pauschbeträge für den Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln angesetzt. Diese Pauschalen waren im Bundessteuerblatt für die jeweiligen Jahre veröffentlicht worden und sollten eine vereinfachte Gewinnermittlung ermöglichen.
Nach einer Außenprüfung vertrat das zuständige Finanzamt jedoch die Auffassung, dass die Pauschbeträge lediglich die Entnahme von Lebensmitteln und Getränken, nicht aber Non-Food-Produkten abdecken würden. Es verwarf die pauschale Verbuchung dieser Artikel, schätzte deren Wert eigenständig und nahm entsprechende Hinzurechnungen zur Einkommen- und Umsatzsteuer vor. Der Händler wehrte sich gegen diese steuerlichen Mehrbelastungen, blieb jedoch zunächst im Einspruchsverfahren erfolglos und klagte vor dem Finanzgericht Münster.
Das Finanzgericht Münster entschied zugunsten des Klägers und wurde darin nun vom Bundesfinanzhof bestätigt. Die obersten Finanzrichter stellten klar, dass das Finanzamt keine Befugnis zur Schätzung hatte, da der Steuerpflichtige sich berechtigterweise auf die Regelungen des Bundesministeriums der Finanzen berufen konnte. Insbesondere verneinten sie einen Verstoß gegen Aufzeichnungspflichten, da die BMF-Regelung ausdrücklich eine monatliche, pauschale Verbuchung der Entnahmen erlaubte, wenn die veröffentlichten Pauschbeträge angesetzt werden.
Zentral für die Beurteilung war § 148 der Abgabenordnung (AO), der den Finanzbehörden Erleichterungen bei Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten erlaubt, sofern diese der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht entgegenstehen. Die BMF-Regelung stellte nach Ansicht des Bundesfinanzhofs eine solche Erleichterung dar, auch wenn sie formal nicht als Allgemeinverfügung, sondern als allgemeine fachliche Weisung ausgestaltet war. Entscheidend sei, wie der objektive Erklärungsempfänger – also ein typischer Steuerpflichtiger aus dem betroffenen Gewerbezweig – die Regelung nach Treu und Glauben verstehen durfte. Im Zweifel sei dabei stets das für den Steuerpflichtigen günstigere Verständnis anzunehmen, insbesondere wenn eine andere Interpretation auf Verwaltungsversäumnissen oder Unklarheiten beruht.
Der Bundesfinanzhof stellte zudem klar, dass das Sortiment des Klägers sich im Rahmen des für Supermärkte dieser Art allgemein Üblichen bewegte und keine besonders hochwertigen oder untypischen Non-Food-Artikel umfasste. Da die BMF-Regelung in ihrer Fassung für die Streitjahre keine ausdrückliche Einschränkung hinsichtlich Non-Food-Artikeln enthielt und lediglich Tabakwaren explizit ausnahm, durfte der Kläger auch Entnahmen dieser Produkte pauschal verbuchen. Erst ab dem Jahr 2023 hatte das Bundesministerium der Finanzen die Regelung ausdrücklich dahingehend geändert, dass Nicht-Lebensmittel künftig einzeln zu erfassen seien.
6. Für Personengesellschaften: Änderung im Gesellschafterbestand bei Grundbesitz in der Gesellschaft
Bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften stellt sich immer wieder die Frage, ob und inwieweit diese Vorgänge der Grunderwerbsteuer unterliegen. Im Zentrum steht dabei § 1 Absatz 2a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Diese Vorschrift bezweckt, sogenannte »Share Deals« in den Anwendungsbereich der Grunderwerbsteuer zu ziehen. Besonders relevant ist dies, wenn sich der Gesellschafterbestand innerhalb eines bestimmten Zeitraums in erheblichem Umfang verändert. Unklar war bislang, ob dabei auch ein Gesellschafter, der bereits an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt war, als »neuer Gesellschafter« gilt, wenn er zusätzlich Anteile an einer an dieser Gesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft erwirbt.
In dem vom obersten Finanzgericht am 31.7.2024 unter dem Aktenzeichen II R 28/21 entschiedenen Fall ging es um eine Kommanditgesellschaft, in deren Vermögen sich Grundstücke befanden. An dieser KG war zu 90 Prozent eine GmbH beteiligt, deren Alleingesellschafter eine natürliche Person war. Diese natürliche Person hielt die GmbH-Anteile treuhänderisch für eine Schweizer Aktiengesellschaft. Zusätzlich war dieselbe natürliche Person auch mit 10 Prozent direkt an der KG beteiligt. Im Jahr 2016 übertrug die natürliche Person sowohl die Anteile an der GmbH als auch ihre unmittelbare Beteiligung an der KG auf andere Gesellschaften und Personen. Der Erwerber der GmbH-Anteile hatte bereits zuvor die Funktion des Komplementärs in der KG ausgeübt.
Das Finanzamt sah in diesem Gesellschafterwechsel eine steuerpflichtige Anteilsübertragung im Sinne des § 1 Absatz 2a GrEStG. Es stellte darauf ab, dass sich der Gesellschafterbestand durch die Übertragung der GmbH-Anteile und der unmittelbaren Kommanditbeteiligung vollständig geändert habe. Die GmbH sei in vollem Umfang als neue Gesellschafterin der grundbesitzenden KG zu behandeln, weil 100 Prozent ihrer Anteile auf eine Person übergegangen seien, die zuvor nicht an der GmbH beteiligt war. Das Finanzgericht Niedersachsen war anderer Auffassung und entschied am 10.3.2021 unter dem Aktenzeichen 7 K 101/18 zugunsten der Klägerin. Es argumentierte, dass der Erwerber kein »neuer Gesellschafter« sei, da er schon länger als fünf Jahre als Komplementär an der KG beteiligt gewesen sei. Damit sei er Altgesellschafter und die Änderung im Gesellschafterbestand steuerlich nicht relevant.
Die obersten Finanzrichter hoben dieses Urteil auf. Sie stellten klar, dass für die Frage, ob eine an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin gilt, ausschließlich auf die Eigentumsverhältnisse an der Kapitalgesellschaft abzustellen ist. Der Umstand, dass der Erwerber der GmbH-Anteile bereits zuvor an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt war, ist dabei unbeachtlich. Entscheidend ist, ob mindestens 95 Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Das Gericht betonte, dass für Kapitalgesellschaften eine eigene Betrachtungsebene gilt und nicht – wie bei Personengesellschaften – auf die Gesellschafterstruktur durchgerechnet wird. Diese spezielle Regelung sei vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 1 Absatz 2a GrEStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 bewusst eingeführt worden, um eine differenzierte Behandlung zwischen Kapital- und Personengesellschaften zu ermöglichen.
Der Erwerber der GmbH-Anteile war in Bezug auf diese Kapitalgesellschaft ein neuer Gesellschafter, auch wenn er bereits zuvor an der KG beteiligt war. Damit galt die GmbH, die zu 90 Prozent an der KG beteiligt war, nach § 1 Absatz 2a Satz 4 GrEStG als neue Gesellschafterin. Da zusätzlich auch die übrigen 10 Prozent der KG-Anteile übertragen wurden, änderte sich der Gesellschafterbestand vollständig, was nach § 1 Absatz 2a Satz 1 GrEStG zu einer grunderwerbsteuerpflichtigen Anteilsübertragung führte.
Offen blieb im Verfahren allerdings die Frage, ob auch der Grundbesitz von zwei Tochtergesellschaften der KG – der E-GmbH und der F-GmbH – der Klägerin grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen war. Das ist für die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids entscheidend, da dieser auch die Grundstücke dieser Gesellschaften einbezog. Hierzu konnte der Bundesfinanzhof mangels ausreichender Feststellungen keine abschließende Entscheidung treffen und verwies den Fall zur weiteren Prüfung an das Finanzgericht zurück.
Zusammenfassend bestätigt das Urteil die strikte Anwendung des sogenannten »Ebenenkonzepts« bei der Grunderwerbsteuer. Bei Kapitalgesellschaften wird ausschließlich auf die unmittelbare Ebene abgestellt – eine Durchrechnung wie bei Personengesellschaften erfolgt nicht. Damit kann auch ein bereits an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligter Erwerber als neuer Gesellschafter gelten, wenn er erstmalig Anteile an einer beteiligten Kapitalgesellschaft erwirbt. Maßgeblich ist dabei allein, dass mindestens 95 Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft auf neue Personen übergehen.
7. Für Kapitalgesellschaften: Verlustrücktrag bei Verschmelzung
Im Zusammenhang mit Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften stellt sich regelmäßig die Frage, wie steuerliche Verlustverrechnungen behandelt werden dürfen. Besonders streitig ist dabei, ob Verluste aus späteren Jahren auf Gewinne des Rückwirkungszeitraums angerechnet werden können. Diese Rückwirkung – typisch für Verschmelzungen – erlaubt es, dass steuerliche Wirkungen bereits zu einem früheren Stichtag eintreten, obwohl die Eintragung ins Handelsregister erst später erfolgt. Für die steuerliche Praxis ist daher entscheidend, welche Einkünfte wie verrechnet werden dürfen und wo der Gesetzgeber eine Grenze zieht.
Im nun entschiedenen Fall ging es um eine Verschmelzung der ehemaligen B-GmbH auf die Klägerin, die damals noch A-GmbH hieß, zum 1.1.2013 mit Eintragung im Handelsregister im September 2013. Das Finanzamt erkannte zwar einen Verlustvortrag zum 31.12.2012 an, lehnte aber die Verrechnung mit den Gewinnen aus dem Rückwirkungszeitraum ab. Hintergrund ist § 2 Absatz 4 Satz 3 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG), der bestimmte Verlustverrechnungen ausschließt. Die Klägerin versuchte, durch einen Verlustrücktrag aus dem Jahr 2014 in Höhe von 631.862 Euro ihre Steuerlast für 2013 zu mindern. Das Finanzamt lehnte dies ab, da der Rücktrag aus einem späteren Jahr stamme und deshalb nach seiner Auffassung unter das Verlustverrechnungsverbot falle.
Das Finanzgericht Hamburg stellte sich auf die Seite der Klägerin. Es vertrat die Auffassung, dass der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig sei und das Verbot sich nur auf bestimmte Verluste beziehe, nicht jedoch auf Verlustrückträge. Zudem sah es den Normzweck – nämlich die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen – nicht als ausreichend betroffen. Das Finanzgericht argumentierte, dass die Gesetzesmaterialien in erster Linie auf bestimmte Bankengestaltungen abzielten und nicht allgemein jede Verlustnutzung unterbinden wollten. Daher könne ein Verlustrücktrag zulässig sein, insbesondere wenn er aus dem laufenden Geschäft des ursprünglich übertragenden Unternehmens stamme.
Das oberste Finanzgericht hat dieser Sichtweise jedoch widersprochen. Mit Urteil vom 13.3.2024 unter dem Aktenzeichen X R 32/21 stellte der Bundesfinanzhof klar, dass § 2 Absatz 4 Satz 3 UmwStG auch den Verlustrücktrag aus einem Folgejahr erfasst. Der Begriff der »nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte« in der Vorschrift sei gesetzlich identisch mit dem in § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) verwendeten Begriff, der auch den Verlustrücktrag beschreibt. Diese Einkünfte dürfen daher nicht zur Verrechnung mit positiven Gewinnen aus dem Rückwirkungszeitraum herangezogen werden.
Die Richter betonten, dass der Gesetzgeber durch die Vorschrift jede Verrechnungsmöglichkeit verhindern wollte, um die Besteuerung von Gewinnen im Rückwirkungszeitraum sicherzustellen. Die steuerliche Rückwirkung diene nicht dazu, zusätzliche Gestaltungsspielräume zu eröffnen, sondern allein der Vereinfachung. Das Ziel sei es, die sogenannte »Monetarisierung« von Verlusten zu vermeiden – also die gezielte Nutzung steuerlicher Verlustpositionen zur Steuerersparnis im Rahmen von Umwandlungen. Dass in den Gesetzesmaterialien vorrangig von Verlustvorträgen die Rede sei, bedeute keine Beschränkung auf diese – auch andere Verlustarten wie der Verlustrücktrag seien mitgemeint.
Zudem ließ der Bundesfinanzhof verfassungsrechtliche Bedenken nicht gelten. Die Vorschrift verletze nicht den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Wer von den steuerlichen Vereinfachungsregelungen des Umwandlungssteuergesetzes Gebrauch machen wolle, müsse auch deren Einschränkungen hinnehmen. Der Steuerpflichtige habe die Wahl, ob und in welcher Form er eine Verschmelzung durchführt. Er könne sich auch für eine andere Umstrukturierungsvariante entscheiden, bei der die Verrechenbarkeit von Verlusten anders geregelt sei.
8. Für Unternehmer: Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises für eine private Fahrzeugnutzung
Die Besteuerung der privaten Nutzung betrieblicher Fahrzeuge ist ein Dauerbrenner in der steuerlichen Praxis. Besonders häufig gibt es Streit darüber, ob eine tatsächlich private Nutzung vorliegt – und ob der sogenannte Anscheinsbeweis dafür erschüttert werden kann. Denn die Finanzverwaltung geht grundsätzlich davon aus, dass ein betriebliches Fahrzeug auch privat genutzt wird. Die Folge ist ein steuerlich anzusetzender geldwerter Vorteil, sofern nicht überzeugend dargelegt werden kann, dass dies im konkreten Fall anders war. Doch was genau reicht aus, um diesen Anscheinsbeweis zu entkräften? Mit dieser Frage hatte sich der Bundesfinanzhof im Urteil vom 22.10.2024 unter dem Aktenzeichen VIII R 12/21 zu befassen.
Im zugrunde liegenden Fall ging es um einen freiberuflich tätigen Prüfsachverständigen, der zwei hochwertige Fahrzeuge – einen BMW 740d X Drive und einen Lamborghini Aventador – betrieblich geleast hatte. Die entsprechenden Aufwendungen machte er in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend. In seinem Privatvermögen befanden sich außerdem ein Ferrari und ein Jeep. Für die betrieblich genutzten Fahrzeuge führte der Kläger handschriftlich Fahrtenbücher, aus denen sich keine privaten Fahrten ergeben sollten. Das Finanzamt erkannte diese Fahrtenbücher jedoch nicht an, unter anderem wegen Unleserlichkeit und fehlender Angaben. Es unterstellte eine Privatnutzung beider Fahrzeuge und setzte entsprechende Entnahmen nach der sogenannten 1-%-Regelung an, wobei es beim Lamborghini wegen der sehr hohen Kosten die sogenannte Kostendeckelung anwandte. Außerdem kürzte es die Betriebsausgaben nach § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wegen Unangemessenheit.
Der Steuerpflichtige legte Einspruch ein, blieb aber vor dem Finanzgericht erfolglos. Das Gericht hielt sowohl die Anwendung der 1-%-Regelung als auch die Kürzung wegen Unangemessenheit für rechtmäßig. Die vorgelegten Fahrtenbücher seien nicht ordnungsgemäß geführt worden, und allein die Existenz weiterer Privatfahrzeuge reiche nicht aus, um eine private Nutzung der betrieblichen Fahrzeuge auszuschließen.
Doch das oberste Finanzgericht hob dieses Urteil auf. Die Richter beanstandeten, dass das Finanzgericht einen falschen Maßstab angelegt habe. Es habe zu Unrecht angenommen, dass der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch entkräftet werden könne. Vielmehr müssten alle Umstände des Einzelfalls in die Prüfung einbezogen werden. Insbesondere sei auch der Umstand zu berücksichtigen, dass dem Kläger vergleichbare Fahrzeuge im Privatvermögen zur Verfügung gestanden hätten. Diese könnten den Anscheinsbeweis erschüttern, wenn sie in Status und Gebrauchswert den betrieblichen Fahrzeugen entsprächen. Entscheidend sei nicht allein die Fahrzeugklasse oder der Preis, sondern eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung von Kriterien wie Motorleistung, Ausstattung oder Höchstgeschwindigkeit. Das Finanzgericht hätte hierzu nähere Feststellungen treffen und den Sachverhalt besser aufklären müssen.
Darüber hinaus betonte der Bundesfinanzhof, dass auch die als maschinenschriftliche Transkripte eingereichten Fahrtenbuchkopien nicht pauschal hätten ausgeschlossen werden dürfen. Zwar genügten sie möglicherweise nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 3 des EStG. Für die Erschütterung des Anscheinsbeweises reiche es aber aus, wenn sie ernsthaft Zweifel an einer privaten Nutzung begründen könnten.
Auch zur Frage der Unangemessenheit der Aufwendungen für den Lamborghini äußerten sich die Richter. Dabei bekräftigten sie die geltenden Grundsätze: Ob Aufwendungen unangemessen sind, hängt von der Größe des Unternehmens, den Umsätzen, dem Betriebsergebnis, dem beruflichen Nutzen und der Üblichkeit in der Branche ab. Zwar sei die Kostentragung für ein Luxusfahrzeug wie einen Lamborghini unter Umständen kritisch zu hinterfragen. Entscheidend sei aber, ob ein objektiver betrieblicher Nutzen plausibel dargelegt werden könne – etwa durch eine gezielte werbewirksame Nutzung. Der Umstand, dass der Lamborghini mit einer Werbefolie versehen war, müsse in die Beurteilung einfließen.
Das oberste Finanzgericht verwies den Fall daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück an das Finanzgericht. Es betonte, dass die tatsächliche Nutzung, das Gesamtbild der Verhältnisse und die objektive Vergleichbarkeit mit anderen Fahrzeugen entscheidend dafür sind, ob eine private Nutzung vorlag – und ob der Anscheinsbeweis erschüttert ist.
Die Anforderungen an den Nachweis einer rein betrieblichen Nutzung sind hoch, aber nicht unüberwindbar. Die bloße Ablehnung von Fahrtenbüchern genügt nicht. Vielmehr sind Gerichte verpflichtet, alle Umstände umfassend zu würdigen und auch Indizien zuzulassen, die nicht den formalen Anforderungen an ein Fahrtenbuch genügen. Steuerpflichtige, die glaubhaft machen können, dass ihnen für Privatfahrten gleichwertige Fahrzeuge zur Verfügung standen und sie die betrieblichen Fahrzeuge ausschließlich dienstlich nutzten, haben durchaus Chancen, den Anscheinsbeweis zu entkräften.
Hinweis: Die in diesem Mandantenbrief enthaltenen Beiträge sind nach bestem Wissen und Kenntnisstand verfasst worden. Sie dienen nur der allgemeinen Information und ersetzen keine qualifizierte Beratung in konkreten Fällen. Eine Haftung für den Inhalt dieses Informationsschreibens kann daher nicht übernommen werden.
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