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11.08.2021

Bundesgerichtshof bestätigt Urteil im bundesweit ersten Cum-Ex-Strafverfahren

Bisheriger Prozessverlauf und Sachverhalt:

Das Landgericht hat den Angeklagten S. im Zusammenhang mit sog. Cum-Ex-Geschäften in den Jahren 2007 bis 2011 wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt; gegen den Mitangeklagten D. hat es wegen mehrerer Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr verhängt. Zudem hat es bei dem Angeklagten S. Taterträge in Höhe von 14 Millionen Euro sowie bei dem Bankhaus W. als der Einziehungsbeteiligten in Höhe von ca. 176 Millionen Euro eingezogen.

Dem Urteil des Landgerichts lagen folgende Feststellungen zugrunde:

Der Angeklagte S. und Verantwortliche des Bankhauses W., insbesondere die gesondert Verfolgten Dr. O. und Sc., verabredeten in den Jahren 2007 bis 2011, deutsche Finanzbehörden durch wahrheitswidrige Erklärungen zur Erstattung angeblich gezahlter Kapitalertragsteuer in Millionenhöhe zu veranlassen, die tatsächlich aber nicht entrichtet wurde. Hierfür plante und organisierte der Angeklagte S. eine Vielzahl vom Bankhaus W. durchgeführter Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäfte, die wie folgt abliefen: Das Bankhaus W. kaufte in der Dividendensaison der Jahre 2007 bis 2011 von Leerverkäufern jeweils kurz vor dem Hauptversammlungstag Aktien mit Dividendenanspruch (sog. "Cum-Aktien"); die Leerverkäufer lieferten - wie von vornherein geplant und auch gewollt - Aktien ohne Dividendenanspruch (sog. "Ex-Aktien") und leisteten zur Kompensation an das Bankhaus W. je eine Ausgleichszahlung (sog. Dividendenkompensationszahlung), für die ab dem Jahr 2007 Kapitalertragsteuer zu entrichten ist. Allen Beteiligten war als Bankkaufleuten bekannt, dass diese Steuer weder auf Seiten der Leerverkäufer noch sonst einbehalten wurde. Gleichwohl stellte das Bankhaus W. sich selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage bei den Finanzbehörden aus, mit denen es - fälschlicherweise - den angeblichen Steuereinbehalt bestätigte. Unter Vorlage dieser Bescheinigungen bei den Finanzbehörden erreichten insbesondere die gesondert Verfolgten Dr. O. und Sc., dass an die Einziehungsbeteiligte zu Unrecht insgesamt über 166 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Aus diesen Taterträgen erwirtschaftete die Einziehungsbeteiligte weitere 10 Millionen Euro.

In den Jahren 2009 bis 2011 war der Angeklagte S. noch an weiteren Fällen maßgeblich beteiligt, in denen die umgesetzte Strategie dem Vorgehen in den Eigenhandelsfällen des Bankhauses W. entsprach, jedoch eigens für diesen Zweck gegründete Fonds die Rolle des Leerkäufers übernahmen. Nach Vorlage - inhaltlich falscher - Steuerbescheinigungen, die den angeblichen Steuereinbehalt für die durchgeführten Cum-Ex-Transaktionen bestätigten, zahlten die Finanzbehörden an die Fonds zu Unrecht über 226 Millionen Euro aus.

Der Angeklagte S. profitierte von den Geschäften insgesamt in Höhe von 14 Millionen Euro. Hingegen war der Angeklagte D. an den Profiten nicht beteiligt; ihm kamen auch nur unterstützende Aufgaben zu.

Entscheidung des Senats:

Der u.a. für Steuerstrafsachen zuständige 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die gegen dieses Urteil von allen Verfahrensbeteiligten - mit unterschiedlicher Reichweite und Angriffsrichtung - eingelegten Revisionen verworfen und nur den Schuldspruch in Bezug auf den Angeklagten D. unter Aufrechterhaltung der verhängten Strafe dahin geändert, als dieser Angeklagte einer einheitlichen Beihilfe schuldig ist.

Mit seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Auffassung der Vorinstanz bestätigt, dass die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage derartiger Cum-Ex-Geschäfte den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.

An einer vorsätzlichen Begehung konnte - wie das Landgericht ohne Rechtsfehler ausgeführt hat - kein Zweifel bestehen, weil die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum bewusst arbeitsteilig auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt haben. Zum Zeitpunkt der Begehung der Taten sah das Gesetz bereits in den insoweit einschlägigen Vorschriften eine klare und eindeutige Regelung vor, gegen die die Beteiligten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts verstoßen haben. Dies ergibt sich schon daraus, dass nur die tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung angemeldet werden darf. Zudem betrifft die von der Revision angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum wirtschaftlichen Eigentum solche Konstellationen nicht, weil der bloße Abschluss derartiger Leerverkaufsabreden kein wirtschaftliches Eigentum begründen konnte.

Die Revisionen des Angeklagten S. und des Bankhauses W. gegen die sie betreffenden Einziehungsentscheidungen blieben ohne Erfolg. Das Landgericht hat auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen der jeweiligen Einziehung zu Recht bejaht und anhand der erzielten Taterträge und der hieraus gezogenen Nutzungen die Höhe der Einziehungsbeträge zutreffend bestimmt. Jedenfalls auf Grund der durch das Jahressteuergesetz 2020 vom 21. Dezember 2020 neu eingeführten Regelung des § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB ist die Einziehung auch nicht wegen Verjährung ausgeschlossen. Ebenso wenig drang die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beanstandung durch, das Landgericht habe bei den Einziehungsanordnungen zu Unrecht zugunsten des Angeklagten S. und der Einziehungsbeteiligten eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet. Die getroffene Anordnung weist keinen Rechtsfehler auf.

Mit der Entscheidung des Senats ist das Urteil des Landgerichts rechtskräftig.

(BGH, Pressemitteilung vom 28.7.2021 zu Urteil vom 28. Juli 2021 – 1 StR 519/20