Steuertermine
12.01. Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer zur Lohnsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 15.01. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen. |
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Vorschau auf die Steuertermine Februar 2026:
10.02. Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer zur Lohnsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 13.02. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. |
16.02. Gewerbesteuer, Grundsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 19.02. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen. |
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Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge Januar 2026
Die Beiträge sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankenarbeitstag eines Monats fällig. Für Januar ergibt sich demnach als Fälligkeitstermin der 28.1.2026.
Inhalt:
- Für Vermieter: Keine Haftung des Grundstückserwerbers für unrichtige Steuerausweise in übernommenen Mietverträgen
- Für freiberufliche Partnerschaften: Nicht in jedem Fall die Ist-Versteuerung?
- Für Immobilienkäufer: Grunderwerbsteuer bei nachträglichen Sonderwünschen für noch zu errichtende Gebäude
- Für Eltern: Kindergeld wegen seelischer Behinderung (und deren Nachweis)
- Für Erben: Konkretisierung der Voraussetzung für die Steuerbefreiung des Familienheims
- Für Freiberufler: Zur kaufmännischen Führung durch einen Berufsträger
- Für Unternehmer: Zum Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines Fahrzeugs
- Für Immobilien-Personengesellschaften: Zur Maßgeblichkeit der Beteiligung am Gesellschaftskapital auch bei unmittelbarer Beteiligung
1. Für Vermieter: Keine Haftung des Grundstückserwerbers für unrichtige Steuerausweise in übernommenen Mietverträgen
Wenn in alten Mietverträgen Umsatzsteuer offen ausgewiesen ist, obwohl Vermietungsleistungen grundsätzlich steuerfrei sind, stellt sich beim Eigentümerwechsel die heikle Frage: Trägt der Erwerber das Risiko eines unrichtigen Steuerausweises nach § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) oder bleibt es beim früheren Vermieter. Über genau diese Konstellation haben die obersten Finanzrichter am 5.12.2024 entschieden und damit unter dem Aktenzeichen V R 16/22 klare Leitplanken gesetzt.
Im entschiedenen Fall erwarb die Klägerin 2013 ein vermietetes Bürogrundstück im Wege der Zwangsversteigerung. Der Voreigentümer hatte zuvor mehrere Mietverträge geschlossen, in denen jeweils »+ 19 % Mehrwertsteuer« zur Nettomiete genannt war, darunter Verträge mit einer Tagesklinik, einer Physiotherapiepraxis und einer Wohnungsbaugesellschaft. In ihrer Umsatzsteuererklärung 2013 behandelte die Erwerberin die Vermietungsumsätze als steuerfrei. Nach einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, die Klägerin schulde die offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG und erhöhte die Steuer. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg wies die Klage am 11.4.2022 unter dem Aktenzeichen 7 K 7031/19 ab, weil es Mietverträge plus Zahlungsbelege als Rechnungen ansah und die Klägerin nach § 566 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in die Rechtsstellung des Vermieters eingetreten ist. Das Gericht meinte zudem, die Beleglage entspräche einer »Gutschrift«, sodass die Klägerin als Rechnungsausstellerin gelte.
Die Klägerin hielt dem entgegen, sie habe selbst keine Rechnungen erteilt. Zahlungsanweisungen der Mieter seien keine Abrechnungsdokumente. Es fehle zudem an einer eindeutigen Verbindung zwischen Mietvertrag und Zahlungsbeleg im Sinne des § 31 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Die in Abschnitt 14.5 Abs. 17 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses erwähnten Erleichterungen beträfen nur den Vorsteuerabzug. Eine »Gutschrift« setze eine vorherige Einigung voraus, die nicht vorlag. Bankauszüge seien überdies von der Bank erstellt und keine Rechnungen der Mieter. Das Finanzamt hielt dagegen, für § 14c genüge bereits ein Dokument, das wie eine Rechnung wirkt.
Das oberste Finanzgericht gab der Klägerin Recht, hob das Urteil des Finanzgerichts auf und setzte die Umsatzsteuer herab. Tragend ist der Grundsatz: § 14c Abs. 1 UStG begründet die Steuerschuld nur, wenn der Unternehmer selbst in einer Rechnung Umsatzsteuer unrichtig ausweist oder ihm die Ausstellung nach allgemeinen zivilrechtlichen Zurechnungsregeln zugeordnet werden kann Die Richter betonen, dass der als Rechnungsaussteller Benannte an der Erstellung mitgewirkt haben muss oder ihm die Ausstellung nach Stellvertretungsgrundsätzen zuzurechnen ist. Sie verweisen hierzu auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 7.4.2011 unter dem Aktenzeichen V R 44/09 und vom 17.8.2023 unter dem Aktenzeichen V R 3/21 sowie auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 30.1.2024 unter dem Aktenzeichen C-442/22.
Auf den Streitfall übertragen ist entscheidend, dass alle Mietverträge vom Voreigentümer abgeschlossen wurden. Der unrichtige Steuerausweis stammt somit von ihm. Eine Zurechnung an die Erwerberin scheidet aus. Weder § 566 BGB noch der im Zwangsversteigerungsrecht einschlägige § 57 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) führen zu einer Haftung nach § 14c Abs. 1 UStG. § 566 BGB dient dem Mieterschutz. Er lässt Vermieterrechte und -pflichten zur Sicherung der bestehenden Mietverhältnisse übergehen, nicht aber öffentlich-rechtliche Steuerschulden aus falschen Rechnungen. Darauf weist der Bundesgerichtshof im Urteil vom 27.10.2021 unter dem Aktenzeichen XII ZR 84/20 hin. Zudem besteht keine zivilrechtliche Pflicht, eine gesetzlich nicht geschuldete Umsatzsteuer auszuweisen. Das hat der Bundesgerichtshof bereits am 26.6.2014 unter dem Aktenzeichen VII ZR 247/13 klargestellt.
Auch über den Weg der Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gelingt die Zurechnung nicht. Selbst wenn man beim Erwerb eines vermieteten Grundstücks eine Geschäftsveräußerung annimmt, tritt der Erwerber nur in die umsatzsteuerliche Stellung ein, die den übertragenen Vermögensgegenstand betrifft. Ein im Mietvertrag des Veräußerers enthaltener unrichtiger Steuerausweis gehört nicht zu den übertragenen Wirtschaftsgütern.
Ein »Überwachungsverschulden« nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union greift ebenfalls nicht. Die Klägerin war in den Mietverträgen nicht als Rechnungsausstellerin benannt. Damit fehlt es schon an der Grundlage, eine Pflichtverletzung dieser Art zu konstruieren.
Die Folge ist klar. Die Klägerin schuldet keine Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG aus den vom Voreigentümer stammenden Vertragsunterlagen.
Für die Praxis lässt sich das Ergebnis in Tatbestandsmerkmalen und Voraussetzungen von § 14c Abs. 1 UStG zusammenfassen. Erstens muss eine Rechnung vorliegen, die den Eindruck einer Abrechnung für eine konkrete Leistung vermittelt. Zweitens muss derjenige, dem die Steuer zugerechnet wird, diese Rechnung selbst ausgestellt haben oder sie muss ihm nach Zivilrecht zugerechnet werden können. Drittens ist die Steuer höher ausgewiesen, als sie nach dem Gesetz geschuldet ist. Art. 203 MwStSystRL erklärt nur denjenigen zum Schuldner, der in der Rechnung Steuer ausweist. Auf Erwerber von Immobilien lässt sich das ohne eigene Mitwirkung nicht übertragen. Ein Eigentümerwechsel nach § 566 BGB oder eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG ändern daran nichts.
Damit steht fest: Der Grundstückserwerber haftet nicht für falsche Umsatzsteuerausweise in übernommenen Mietverträgen. Die Verantwortung bleibt bei demjenigen, der den unrichtigen Steuerausweis veranlasst hat.
2. Für freiberufliche Partnerschaften: Nicht in jedem Fall die Ist-Versteuerung?
Freiberufler stehen bei der Umsatzsteuer immer wieder vor der Frage, ob sie die Steuer erst dann anmelden müssen, wenn das Honorar tatsächlich auf dem Konto ist. Gemeint ist die sogenannte Ist-Versteuerung. Der Gesetzgeber erlaubt sie auf Antrag in klar umgrenzten Fällen. Streit entzündet sich häufig daran, ob ein Freiberufler, der freiwillig Bücher führt und seinen Gewinn wie ein Kaufmann ermittelt, trotzdem in den Genuss dieser Liquiditätserleichterung kommt. Genau dazu hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden.
Im entschiedenen Fall ging es um eine Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Die Gesellschaft ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach den Regeln des Einkommensteuergesetzes und führte freiwillig Bücher. Über viele Jahre hatte das Finanzamt die Ist-Versteuerung stillschweigend zugelassen. Später nahm es diese Gestattung ab 1.1.2019 zurück. Nach einem weiteren Antrag auf Genehmigung ab 2021 lehnte das Finanzamt erneut ab. Die Partnerschaft erhob daraufhin Sprungklage. Hintergrund war auch ein Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 23.12.2021 unter dem Aktenzeichen V B 22/21, wonach eine konkludente Gestattung nicht als Dauerverwaltungsakt gilt, sondern jeweils nur für den einzelnen Besteuerungszeitraum.
Die Klägerin berief sich vor allem auf den Wortlaut des § 20 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Danach kann das Finanzamt bei Umsätzen aus freiberuflicher Tätigkeit die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten zulassen. Mehr fordere die Norm nicht. Eine freiwillige Buchführung sei kein Ausschlussgrund. Die gegenteilige Sicht der Rechtsprechung überschreite nach ihrer Ansicht die Grenzen zulässiger Auslegung.
Zur Untermauerung verwiesen die Kläger unter anderem auf das Bundesverfassungsgericht vom 28.11.2023 unter dem Aktenzeichen 2 BvL 8/13 zu den Maßstäben gesetzeskonformer Auslegung. Außerdem habe der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2022 in § 20 Satz 1 Nummer 4 UStG für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausdrücklich geregelt, dass die Ist-Versteuerung nur ohne Buchführung möglich ist. Hätte er das auch für Freiberufler gewollt, hätte er es dort ebenso klar formuliert. Schließlich berief sich die Klägerin auf Gleichbehandlung. In der Verwaltungspraxis werde anderen freiwillig buchführenden Freiberuflern die Ist-Versteuerung gestattet, etwa wenn sie nur eine Einnahmenüberschussrechnung führen oder offene Posten in Listen überwachen.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg wies die Klage ab. Die Richter entschieden am 9.7.2024 unter dem Aktenzeichen 9 K 86/24, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 UStG nicht erfüllt sind, weil die Partnerschaft freiwillig Bücher führt. Das Gericht folgte damit der Linie des Bundesfinanzhofs aus dem Urteil vom 22.7.2010 unter dem Aktenzeichen V R 4/09 und der Entscheidung vom 22.7.2010 unter dem Aktenzeichen V R 36/08. Die obersten Finanzrichter hatten die Norm teleologisch reduziert. Danach kommt die Ist-Versteuerung bei freiberuflichen Umsätzen nicht in Betracht, wenn der Unternehmer gesetzlich oder freiwillig Bücher führt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit dieser restriktiven Auslegung mit Beschluss vom 20.3.2013 unter dem Aktenzeichen 1 BvR 3063/10 bestätigt.
Zur Begründung stellte das Gericht auf Zweck, Systematik und Entstehungsgeschichte ab. § 20 UStG vermeidet vor allem zusätzliche Aufzeichnungen nur für die Umsatzsteuer. Wer ohnehin Bücher führt, braucht für die Soll-Versteuerung keine gesonderten Aufzeichnungen mehr. Eine Privilegierung durch die Ist-Versteuerung passt dann nicht zum Konzept des Gesetzes. Das zeigt auch der systematische Zusammenhang mit § 20 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 UStG und der dortigen Anknüpfung an Erleichterungen nach der Abgabenordnung (AO). Für Fälle, in denen Unternehmer schon kraft Gesetzes nicht buchführungspflichtig sind, korrigiert Nummer 3 diesen Mechanismus, ohne freiwillig Buchführende einzubeziehen. Die spätere Ergänzung in § 20 Satz 1 Nummer 4 UStG für juristische Personen des öffentlichen Rechts ändert daran nichts. Sie bestätigt vielmehr, dass das Kriterium »keine Buchführung« entscheidend ist, wenn man die Vermeidung zusätzlicher Aufzeichnungen als Leitmotiv ernst nimmt.
Auch mit dem Gleichbehandlungsargument hatte die Kläger keinen Erfolg. Die Richter hielten die unterschiedliche Behandlung gegenüber Steuerpflichtigen, die eine Einnahmenüberschussrechnung nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) nutzen oder nur offene Posten Listen führen, für sachgerecht. Der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich passt von seiner Logik her zur umsatzsteuerlichen Soll-Versteuerung. Eine Übertragung einer möglicherweise großzügigen Verwaltungspraxis auf nicht erfasste Fälle kommt nicht in Betracht. Aus einem etwaig rechtswidrigen Verwaltungsvollzug erwächst kein Anspruch auf Ausdehnung.
Wichtig für die Praxis sind die tatbestandlichen Eckpunkte, die das Gericht klar herausarbeitet. Ein Antrag auf Ist-Versteuerung setzt bei Freiberuflern nach § 20 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 UStG voraus, dass freiberufliche Umsätze vorliegen und keine Bücher geführt werden. Freiwillige Buchführung steht der Genehmigung entgegen. Wer seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, fällt regelmäßig aus der Begünstigung heraus. Der Normzweck ist die Vermeidung zusätzlicher Aufzeichnungen nur für Zwecke der Umsatzsteuer. Liquiditätsgesichtspunkte ändern daran nichts.
Abschließend ließ das Finanzgericht die Revision zu, welche unter dem Aktenzeichen V R 16/24 anhängig ist. Die Frage, ob die Ist-Versteuerung für freiwillig buchführende Freiberufler zu gewähren ist, hat grundsätzliche Bedeutung. Der Bundesfinanzhof hat dies in der Vergangenheit nur am Rande angesprochen. Die obersten Finanzrichter werden sich daher mit den aktuellen Gegenargumenten und der späteren Gesetzesergänzung befassen.
3. Für Immobilienkäufer: Grunderwerbsteuer bei nachträglichen Sonderwünschen für noch zu errichtende Gebäude
Wer beim Bauträgerkauf nachträglich »Sonderwünsche« bestellt, denkt an Komfort und Gestaltung. Steuerlich steckt mehr dahinter. Entscheidend ist, ob die zusätzlichen Leistungen zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung gehören. Die Grunderwerbsteuer knüpft an die gesamte Gegenleistung an. Das regelt das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) in § 8 Absatz 1 und in § 9 GrEStG.
Zusätzliche Zahlungen des Käufers an den Veräußerer können nach § 9 Absatz 2 Nummer 1 GrEStG die Bemessungsgrundlage erhöhen. Das setzt einen bereits verwirklichten Erwerbsvorgang nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 GrEStG, eine nachträgliche zusätzliche Leistung und einen rechtlichen Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft voraus. Kein Zusammenhang liegt vor, wenn der Käufer seine Extras direkt und eigenständig bei fremden Handwerkern beauftragt. Deshalb kommt es auf die Vertragsgestaltung an. Aktuell mussten rund um das Thema zwei Steuerstreite entschieden werden.
Im ersten Streitfall geht es um den Kauf einer Doppelhaushälfte als Ausbauhaus. Im notariellen Vertrag ist die Bau- und Leistungsbeschreibung einbezogen. Sie enthält eine Vielzahl von Ausstattungsmerkmalen. Zugleich ist geregelt, dass die Kosten für Hausanschlüsse vom Käufer zu tragen sind. Das Finanzamt setzt zunächst die Grunderwerbsteuer auf Basis des Kaufpreises fest. Später fordert es weitere Grunderwerbsteuer wegen nachträglich bei der Verkäuferin beauftragter Leistungen, etwa Innentüren, Motoren für Rollläden, Fliesen, Bodenbeläge und Pflasterarbeiten. Auch Hausanschlusskosten bezieht es ein. Der Käufer hält die Nachträge für vom Kauf unabhängige Abreden. Das Finanzgericht weist die Klage ab. Die obersten Finanzrichter heben die Entscheidung teilweise auf. Sie stellen klar, dass die meisten Sonderwünsche zusätzliche Leistungen im Sinne des § 9 Absatz 2 Nummer 1 GrEStG sind und der Grunderwerbsteuer unterliegen. Für die Hausanschlusskosten gilt das aber hier nicht. Denn die Übernahme dieser Kosten ist bereits im ursprünglichen Kaufvertrag vereinbart. Solche bereits bei Vertragsschluss geschuldeten Beträge gehören nicht zu § 9 Absatz 2 Nummer 1 GrEStG. In Betracht kommt dann § 9 Absatz 1 Nummer 1 GrEStG oder eine nicht steuerbare Eigenleistung. Außerdem ist die Steuer für die nachträglichen Leistungen in einem selbständigen Bescheid festzusetzen. Das entscheidet der Bundesfinanzhof am 30.10.2024 unter dem Aktenzeichen II R 18/22.
Im zweiten Streitfall erwerben Eheleute Wohnungen in einem noch zu errichtenden Gebäude. Der Vertrag enthält ausdrücklich, dass Änderungswünsche nur gegen Übernahme der entstehenden Mehrkosten berücksichtigt werden. Eigene Arbeiten oder direkte Aufträge an Handwerker vor Übergabe sind ausgeschlossen. Nach Beginn der Rohbauarbeiten beauftragen die Erwerber bei der Verkäuferin zahlreiche Sonderwünsche. Das Finanzamt erlässt zusätzlich zur Ersterfassung einen weiteren Grunderwerbsteuerbescheid. Die Erwerber argumentieren, es handle sich um eigenständige, vom Kauf losgelöste Entscheidungen. Teilweise seien Arbeiten erst nach Übergabe fertiggestellt worden. Das Finanzgericht folgt jedoch auch hier dem Finanzamt. Das oberste Finanzgericht bestätigt zudem diese Sicht. Die zusätzlichen Vergütungen für die Sonderwünsche stehen in einem rechtlichen Zusammenhang mit dem Erwerb. Der Vertrag fungiert wie ein Rahmen. Er verpflichtet zur Übernahme der Mehrkosten und bindet die Käufer an die Verkäuferseite. Dass einzelne Arbeiten erst nach Übergabe fertiggestellt werden, ändert daran und an der Grunderwerbsteuerpflicht nichts. Maßgeblich ist die bindende Vereinbarung über die Sonderwünsche vor Übergabe. Auch hier ist die Steuer in einem eigenständigen Bescheid festzusetzen. So entscheiden die obersten Finanzrichter am 30.10.2024 unter dem Aktenzeichen II R 15/22.
Die Kernaussagen der beiden Entscheidungen lassen sich auf einfache Tatbestandsmerkmale herunterbrechen.
Erstens braucht es einen vorherigen Erwerb des Grundstücks mit noch zu errichtendem Gebäude nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 GrEStG.
Zweitens zahlt der Erwerber später zusätzlich an den Veräußerer.
Drittens besteht ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft. Dieser Zusammenhang ergibt sich, wenn der Verkäufer ohnehin geschuldete Bauleistungen konkretisiert, ändert oder durch hochwertigere Materialien ersetzt und dafür eine Mehrvergütung erhält. Er besteht auch, wenn der Vertrag die Tragung der Mehrkosten regelt und die Ausführung eigener Arbeiten vor Übergabe ausschließt. Das bejaht das oberste Finanzgericht im Fall der Wohnungen. Es verneint ihn nur dort, wo die Kosten – hier die Hausanschlüsse – bereits im Ursprungsvertrag dem Käufer auferlegt sind. Dann handelt es sich nicht um eine nachträgliche zusätzliche Leistung nach § 9 Absatz 2 Nummer 1 GrEStG.
Für die Praxis bedeutet das Folgendes. Wer beim Bauträger nachträglich Extras bestellt und dafür an die Verkäuferseite zahlt, löst regelmäßig zusätzliche Grunderwerbsteuer aus.
4. Für Eltern: Kindergeld wegen seelischer Behinderung (und deren Nachweis)
Wer für ein volljähriges Kind Kindergeld wegen einer seelischen Behinderung beansprucht, steht oft vor der Frage, wie diese Behinderung rechtssicher nachzuweisen ist und wer ein taugliches Gutachten erstellen darf.
Das Einkommensteuergesetz (EStG) gewährt Kindergeld auch nach dem 18. Geburtstag, wenn das Kind wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Entscheidend sind der gesetzliche Behinderungsbegriff des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) und die Kausalität der Behinderung für die fehlende Fähigkeit zum Selbstunterhalt. Eine Behinderung liegt vor, wenn die seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate vom altersüblichen Zustand abweicht und dadurch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist. Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt wird für jeden Monat anhand eines Vergleichs von Bedarf und Mitteln geprüft. Diese Grundsätze hat das oberste Finanzgericht erneut bestätigt.
Im entschiedenen Fall ging es um die Mutter einer 1996 geborenen Tochter. Nach Abitur und Nebenjob folgten erhebliche gesundheitliche Belastungen: Entfernung der Schilddrüse wegen eines Tumors, anschließende Radiotherapie, später der Verdacht auf einen Brusttumor, der sich als gutartig erwies und 2017 entfernt wurde. Im Streitzeitraum Oktober 2016 bis Oktober 2017 erzielte die Tochter nur geringfügige Einkünfte bis 450 Euro monatlich. Die Familienkasse hob eine frühere Kindergeldfestsetzung teilweise auf und forderte Beträge zurück. Die Mutter hielt dem entgegen, die Tochter habe wegen einer Depression ihren Unterhalt nicht sichern können. Das Finanzgericht Hamburg holte daraufhin ein psychologisch-psychotherapeutisches Gutachten eines Diplom-Psychologen ein und gab der Klage für den 13-monatigen Streitzeitraum statt. Die Familienkasse legte jedoch Revision ein und verlangte eine ärztliche Begutachtung.
Die obersten Finanzrichter entschieden schließlich am 16.1.2025 unter dem Aktenzeichen III R 9/23, dass das Finanzgericht seine Überzeugung vom Vorliegen einer seelischen Behinderung auch auf ein retrospektives Gutachten eines psychologischen Psychotherapeuten stützen darf. Maßgeblich für die Auswahl eines Sachverständigen ist die Sachkunde zur konkreten Beweisfrage. Die Finanzgerichte entscheiden in freier Beweiswürdigung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens. Die Zuziehung und Auswahl eines Sachverständigen stehen in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Eine zusätzliche ärztliche Stellungnahme ist nicht zwingend, wenn ein ausreichend qualifizierter psychologischer Psychotherapeut die entscheidungserheblichen Fragen fachkundig beantwortet.
Rechtlich knüpft die Entscheidung an § 32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Für den Behinderungsbegriff ist § 2 Absatz 1 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) maßgeblich. Das Gericht betont den dreigliedrigen Prüfungsmaßstab aus Abweichung vom altersüblichen Zustand, voraussichtlicher Dauer von mehr als sechs Monaten und daraus folgender Teilhabebeeinträchtigung. Für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt stellt das EStG auf den monatlichen Abgleich von Bedarf einschließlich behinderungsbedingtem Mehrbedarf und vorhandenen Mitteln ab.
Besondere Bedeutung hat der Blick ins Achte Buch Sozialgesetzbuch. § 35a des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII) nennt ausdrücklich neben Fachärzten auch Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeuten sowie psychologische Psychotherapeuten mit besonderer Erfahrung als sachkundige Personen für Stellungnahmen zur seelischen Gesundheit. Daraus folgert das oberste Finanzgericht, dass es keinen Grund gibt, im Kindergeldrecht die Gutachterrolle auf Ärzte zu beschränken. Die entscheidende Frage ist die Expertise im Hinblick auf seelische Störungen und deren Auswirkungen auf die Teilhabe.
Angewandt auf den Fall hielt das Finanzgericht die Tochter im gesamten Streitzeitraum wegen einer mittelgradigen depressiven Episode nach ICD-10 für seelisch behindert. Der Sachverständige beschrieb eine aus einer Anpassungsstörung hervorgegangene Neurose und legte nachvollziehbar dar, dass die Störung bis Oktober 2017 anhielt. Erst danach stabilisierte sich die Lage wieder. Das Gericht stellte zudem fest, dass die seelische Störung die Fähigkeit zur Eingliederung in Arbeit so deutlich einschränkte, dass eine Beschäftigung von mehr als 15 Wochenstunden nicht in Betracht kam. Damit war die Tochter im Streitzeitraum außerstande, sich selbst zu unterhalten. Die Einwände der Familienkasse gegen Dauer und Ausmaß der Einschränkungen griffen nicht. Eine zusätzliche ärztliche Begutachtung war nicht erforderlich, zumal die Hausärztin keine weiterführenden Feststellungen beitragen konnte.
Für die Praxis heißt das: Ein sorgfältig begründetes Gutachten eines psychologischen Psychotherapeuten kann den Nachweis einer seelischen Behinderung im Sinne des EStG tragen. Entscheidend sind eine tragfähige Diagnose, die Darlegung der Teilhabebeeinträchtigung und der nachvollziehbare Zusammenhang zur fehlenden Fähigkeit, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wo die Sachkunde stimmt, ist die ärztliche Form nicht zwingend. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.1.2025 unter dem Aktenzeichen III R 9/23 stärkt damit Familien, die in psychisch belastenden Ausnahmephasen auf Kindergeld angewiesen sind.
5. Für Erben: Konkretisierung der Voraussetzung für die Steuerbefreiung des Familienheims
Wer eine Wohnung von den Eltern erbt, hofft oft auf die Steuerbefreiung für das »Familienheim«. Streit gibt es vor allem dann, wenn die verstorbene Person die Wohnung nie selbst bewohnt hat, aber eigentlich dorthin umziehen wollte, etwa wegen Krankheit.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat hierzu klar Stellung genommen und die Befreiung versagt. Maßgeblich ist, dass das Familienheim vor dem Erbfall bereits den Mittelpunkt des familiären Lebens der Erblasserin gebildet hat. Das ist bei einer nie selbst bewohnten Wohnung nicht der Fall. Die Entscheidung erging am 19.12.2024 unter dem Aktenzeichen 14 K 14131/22.
Im Hintergrund steht § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Die Vorschrift stellt den Erwerb einer Wohnung von Todes wegen durch Kinder steuerfrei, wenn der Erblasser dort bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken gelebt hat oder aus zwingenden Gründen an dieser Selbstnutzung gehindert war und wenn der Erwerber die Wohnung unverzüglich selbst zu Wohnzwecken nutzt. Im entschiedenen Fall verstarb die Mutter 2020. Zum Nachlass gehörten eine Wohnung in der B-allee sowie ein hälftiger Miteigentumsanteil an einer Wohnung in der D-straße, nur rund 130 Meter voneinander entfernt. Die Wohnung in der D-straße bewohnte zuvor die Großmutter. Die Mutter lebte bis zu ihrem Tod durchgehend in der Wohnung in der B-allee und nutzte die D-straße nie als Lebensmittelpunkt. Der Sohn als Alleinerbe zog nach dem Tod der Mutter in die D-straße und beantragte die Steuerbefreiung. Das Finanzamt lehnte ab. Der Sohn klagte.
Das Finanzgericht bestätigte die Versagung der Befreiung. Die Richter legten § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG teleologisch einschränkend aus. Die Alternative »oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert war« schützt nur den Fortbestand eines bereits bestehenden familiären Lebensmittelpunkts, etwa wenn jemand kurz vor dem Tod aus gesundheitlichen Gründen in ein Pflegeheim umzieht. Hat der Erblasser die vererbte Wohnung zu keinem Zeitpunkt selbst bewohnt, fehlt es am geschützten Familiengebrauchsvermögen. Eine Nie-Nutzung zwischen Anschaffung und Tod reicht nicht aus. Genau daran scheiterte der Fall. Die Erblasserin nutzte ausschließlich die Wohnung in der B-allee als Hauptwohnung. Besuche in der D-straße und das Empfangen von Gästen dort änderten daran nichts. Die Befreiung ist daher ausgeschlossen.
Die Richter betonten außerdem, dass baulich getrennte Immobilien eigenständige Vermögenswerte sind. Eine Behandlung als »Einheit« kommt nicht in Betracht, auch wenn die Familie, die nahe beieinander liegenden Wohnungen subjektiv als zusammengehörig empfand. Maßgeblich ist die objektive Trennung. Die Annahme einer »Einheit« würde missbräuchliche Gestaltungen begünstigen und findet im Gesetz keine Grundlage. Auch insoweit folgte das Gericht einer verbreiteten finanzgerichtlichen Linie.
Zur Einordnung verwies das Gericht auf einschlägige Rechtsprechung. So hat das Finanzgericht München am 22.10.2014 unter dem Aktenzeichen 4 K 2517/12 ebenso eine restriktive Auslegung vertreten. Das Hessische Finanzgericht entschied am 30.9.2015 unter dem Aktenzeichen 1 K 1654/14 in die gleiche Richtung. Das Finanzgericht München urteilte am 24.2.2016 unter dem Aktenzeichen 4 K 2885/14. Das Finanzgericht Köln entschied am 27.1.2016 unter dem Aktenzeichen 7 K 247/14. Jüngst urteilte das Niedersächsische Finanzgericht am 13.3.2024 unter dem Aktenzeichen 3 K 154/23. Die obersten Finanzrichter haben zur hier streitigen Frage des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG noch nicht ausdrücklich entschieden. Für § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG hat der Bundesfinanzhof jedoch am 18.7.2013 unter dem Aktenzeichen II R 35/11 klargestellt, dass nur der tatsächliche Mittelpunkt des familiären Lebens als Familienheim gilt, sodass Zweitwohnungen nicht begünstigt sind. Für die Erwerberseite hat das oberste Finanzgericht am 23.6.2015 unter dem Aktenzeichen II R 13/13 entschieden, dass die Befreiung entfällt, wenn der Erbe von vornherein nicht einziehen kann und es auch nicht tut. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg knüpft an diese Leitgedanken an.
Auch Argumente zur zivil- oder bewertungsrechtlichen Grundstückseinheit trugen nicht. Ob man das »Grundstück« im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Bewertungsgesetzes versteht, hilft hier nicht weiter. In beiden Lesarten bleiben die Wohnungen getrennte Objekte. Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang zudem auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.2.2021 unter dem Aktenzeichen II R 29/19 sowie auf das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 30.1.2019 unter dem Aktenzeichen 7 K 1000/17.
Für die Praxis wichtig sind die Tatbestandsmerkmale. Die Wohnung darf höchstens 200 Quadratmeter haben. Der Erblasser muss sie bis zum Erbfall selbst genutzt haben oder aus zwingenden Gründen an der Fortsetzung dieser bereits aufgenommenen Selbstnutzung gehindert gewesen sein. Der Erbe muss sie unverzüglich selbst bewohnen. Fehlt die vorangegangene Selbstnutzung des Erblassers vollständig, scheidet die Befreiung aus. Eine bloße Absicht zum Umzug oder eine Krankheitslage ohne vorherige Eigennutzung hilft nicht. Getrennte Wohnungen bleiben getrennte Vermögenswerte. Eine »Einheitsbetrachtung« findet nicht statt.
Für die Praxis besser ist die Steuerbefreiung für die Übertragung des Familienheims zu Lebzeiten. Diese gilt zwar nur unter Eheleuten, hat aber dafür kaum Voraussetzungen, so dass die Regelung grundsätzlich perfekt geeignet ist, um Vermögen unter den Eheleuten gleichmäßiger zu verteilen.
6. Für Freiberufler: Zur kaufmännischen Führung durch einen Berufsträger
Ob eine große Gemeinschaftspraxis von Zahnärzten als freiberuflich oder als gewerblich gilt, entscheidet über viel Geld. Freiberufliche Einkünfte sind nicht mit Gewerbesteuer belastet. Bei Personengesellschaften verlangt das Gesetz, dass alle Mitunternehmer den freien Beruf persönlich ausüben. Maßstab ist § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Fall, den die obersten Finanzrichter nun aktuell entschieden haben, dreht sich um die Frage, ob die kaufmännische und organisatorische Leitung durch einen zugelassenen Zahnarzt als eigene freiberufliche Tätigkeit zählt.
Die Praxis war eine Partnerschaftsgesellschaft mit sieben approbierten Zahnärzten. Einer der Seniorpartner, Dr. AM, übernahm seit Gründung nahezu vollständig die Organisation. Er regelte Verträge, Behördenkontakte, Qualitätsmanagement, Personal, Strahlenschutz, Wartung und Umbauten. Er erledigte Reparaturen regelmäßig an einem festen Wochentag in den Praxisräumen. Behandlungen führte er nur in sehr geringem Umfang durch. Im Streitjahr beriet er fünf Patienten konsiliarisch. Nach einer Betriebsprüfung stufte das Finanzamt die Einkünfte der Gesellschaft als gewerblich ein. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz bestätigte dies am 16.9.2021 unter dem Aktenzeichen 4 K 1270/19. Die Gesellschaft wandte sich dagegen mit Erfolg.
Das oberste Finanzgericht entschied am 4.2.2025 unter dem Aktenzeichen VIII R 4/22, dass die Praxis freiberufliche Einkünfte erzielt. Es hob das Urteil der Vorinstanz auf und änderte die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Maßgeblich ist, dass ein zugelassener Zahnarzt den freien Beruf auch dann selbst ausübt, wenn er neben einer gegebenenfalls äußerst geringfügigen Behandlungsleistung vor allem organisatorische und administrative Aufgaben für den Praxisbetrieb übernimmt. Die Richter betonen, dass die kaufmännische Führung und Organisation die Grundlage für die am Markt erbrachten zahnärztlichen Leistungen ist. Diese Tätigkeit ist Ausdruck der freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit. Eine Mindestschwelle eigener Behandlung verlangt das Gesetz nicht. Die konsiliarische Beratung von fünf Patienten genügte hier zusätzlich als nach außen gerichtete Tätigkeit.
Für die Qualifikation einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft stellt die Rechtsprechung auf klare Tatbestandsmerkmale ab. Jeder Gesellschafter muss persönlich berufsqualifiziert sein und eigene freiberufliche Tätigkeit entfalten. Das gilt auch in großen Einheiten. Entscheidend ist nicht, dass jeder an jeder Behandlung mitwirkt. Zulässig ist eine arbeitsteilige Mit- und Zusammenarbeit. Das Gericht knüpft an Grundsätze an, die es etwa am 5.9.2023 unter dem Aktenzeichen VIII R 31/20 sowie am 28.10.2008 unter dem Aktenzeichen VIII R 69/06 hervorgehoben hat. Es verweist auch auf die Entscheidung vom 4.8.2020 unter dem Aktenzeichen VIII R 24/17 zur genügenden, zumindest geringfügigen, eigenverantwortlichen Tätigkeit in mehrstöckigen Strukturen. Der Große Senat hatte schon am 25.6.1984 unter dem Aktenzeichen GrS 4/82 klargestellt, dass bei freien Berufen die persönlichen Merkmale bei den natürlichen Personen vorliegen müssen. All das galt hier. Alle Partner waren Zahnärzte. Die Gewinnzuweisung berücksichtigte die Leitungs- und Organisationstätigkeit von Dr. AM in vergleichbarer Höhe zu den übrigen Partnern. Damit lag keine gewerbliche Prägung vor.
Im Ergebnis ist die Feststellung als freiberufliche Einkünfte zu treffen. Für die Praxis bedeutet die Entscheidung: Auch in großen Berufsausübungsgemeinschaften darf ein zugelassener Berufsträger die kaufmännische Führung als seine eigene freiberufliche Tätigkeit einbringen. Voraussetzung ist die persönliche Berufsqualifikation, eine echte Einbindung in die freiberufliche Leistungserbringung durch Leitung und Organisation und eine zumindest geringfügige, nach außen gerichtete fachliche Tätigkeit. Sind diese Merkmale erfüllt, bleiben die Einkünfte der gesamten Gesellschaft dem § 18 EStG zugeordnet.
7. Für Unternehmer: Zum Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines Fahrzeugs
Privatfahrten mit einem betrieblichen Fahrzeug sind ein Dauerbrenner in den Steuerstreiten zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigen. Wer einen Wagen im Betriebsvermögen hat, der typischerweise auch privat nutzbar ist und außerhalb der Arbeitszeit am Wohnhaus bereitsteht, löst regelmäßig einen geldwerten Vorteil aus.
Die »Ein-Prozent-Regelung« erfasst diese Privatnutzung pauschal. Der Anscheinsbeweis für eine private Mitbenutzung kann entkräftet werden. Dafür braucht es aber belastbare Tatsachen. Reine Behauptungen reichen nicht. Genau darum ging es vor den obersten Finanzrichtern im Verfahren vom 16.1.2025 unter dem Aktenzeichen III R 34/22. Der Bundesfinanzhof hob leider ein für den Steuerpflichtigen günstiges Urteil auf und setzte die Ein-Prozent-Regelung für einen Pick-up an.
Der Hintergrund: Ein Ehepaar wurde zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann betrieb ein Unternehmen auf demselben Grundstück wie das Wohnhaus. Im Betriebsvermögen standen unter anderem ein BMW und ab Februar 2015 ein fünfsitziger Pick-up mit einem Bruttolistenpreis von 44.458 Euro. Für beide Fahrzeuge führte niemand ein Fahrtenbuch. Die erwachsenen Kinder nutzten alte Kleinwagen aus dem Privatvermögen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts stand der Pick-up außerhalb der Arbeitszeiten direkt vor dem Wohnhaus und war für die Familie jederzeit verfügbar. Der Unternehmer versteuerte nur den BMW nach der Ein-Prozent-Regelung, nicht aber den Pick-up. Das Finanzamt erhöhte die Gewinne wegen der Pick-up-Privatnutzung und erließ Änderungsbescheide. Das Finanzgericht Münster gab der Klage mit Urteil vom 16.8.2022 unter dem Aktenzeichen 6 K 2688/19 E statt. Dagegen legte der Kollege Fiskus jedoch Revision ein und konnte diese letztlich für sich entscheiden.
Die Standpunkte: Das Finanzamt berief sich auf den Anscheinsbeweis. Ein betriebliches Auto, das privat geeignet ist und bereitsteht, wird erfahrungsgemäß auch privat gefahren. Ohne Fahrtenbuch greift die Pauschalbewertung. Die Kläger hielten dem entgegen, der Pick-up sei für die Familie zu groß, trage Werbefolien und werde betrieblich benötigt. Für Arbeitswege sei kein Auto nötig gewesen. Für besondere Transporte habe man andere Lösungen genutzt. Außerdem habe es den BMW und die Fahrzeuge der Kinder gegeben.
Die Entscheidung der Richter bleibt dennoch hart: Maßgeblich ist § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Danach ist die Privatnutzung eines zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs monatlich mit 1 Prozent des Bruttolistenpreises anzusetzen. Als Alternative erlaubt § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG die Ermittlung nach tatsächlichen Kosten bei ordnungsgemäßem Fahrtenbuch.
Insgesamt gilt dabei jedoch der folgende Erfahrungssatz: Fahrzeuge, die ihrer Art nach zum privaten Gebrauch geeignet sind und privat verfügbar sind, werden auch privat genutzt. Dies ist der »Beweis des ersten Anscheins«. Wer sich auf eine Ausnahme beruft, muss konkrete Tatsachen vortragen und nötigenfalls beweisen, die ernsthaft einen atypischen Ablauf möglich erscheinen lassen. Ein Vollbeweis ist nicht nötig. Reine Beteuerungen genügen aber auch nicht. Diese Grundsätze bekräftigten die Richter und verwiesen auch auf ihre bisherige Rechtsprechung.
Auf den Streitfall übertragen stellten die obersten Finanzrichter klar: Es gab keine objektiven Umstände, die Privatfahrten ausschlossen. Keine fehlende Zulassung. Keine fehlende Fahrerlaubnis. Keine dauerhafte Überlassung an Mitarbeiter. Die Größe des Pick-up hilft nicht. Fünfsitzige Pick-ups sind Kombinationsfahrzeuge. Sie sind typischerweise privat geeignet und werden auch privat genutzt. Werbefolien ändern daran nichts. Sie sprechen eher für Außenwerbung auch außerhalb der Betriebszeit. Eine besondere Verschmutzung lag nicht vor. Dass der Wagen während der Arbeitszeiten betrieblich gebraucht wurde, spielt für die Ein-Prozent-Regelung keine Rolle. Privatnutzung ist morgens, abends, am Wochenende und im Urlaub möglich. Der Wagen stand dann aber tatsächlich vor dem Wohnhaus bereit. Der Verweis auf den BMW greift nicht, weil er ebenfalls ein Betriebsfahrzeug war und deshalb nicht jederzeit uneingeschränkt privat zur Verfügung stand. Die alten Kleinwagen der Kinder sind im Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar und standen dem Unternehmer nur auf Abruf zur Verfügung. Damit bleibt es beim Anscheinsbeweis. Ohne Fahrtenbuch ist die Pauschalregelung anzuwenden. Das oberste Finanzgericht hob daher das Urteil des Finanzgerichts Münster auf und wies die Klage ab. Die Änderungsbescheide des Finanzamts sind rechtmäßig.
Wer daher die Ein-Prozent-Regelung vermeiden will, braucht ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch oder muss mit harten Fakten den typischen Geschehensablauf erschüttern. Geeignet sind nur klare Ausschlussgründe, etwa wenn ein Fahrzeug tatsächlich nicht privat genutzt werden kann. Leider bleibt es bei der fiskalischen Einschätzung: Steht ein betrieblicher Wagen außerhalb der Arbeitszeit am Wohnhaus bereit, spricht die (angebliche) Erfahrung für Privatfahrten. Wer dem entgegnen will, muss dies nachweisbar organisieren und dokumentieren.
8. Für Immobilien-Personengesellschaften: Zur Maßgeblichkeit der Beteiligung am Gesellschaftskapital auch bei unmittelbarer Beteiligung
Wenn es um Grundstücke im Betriebsvermögen von Personen- und Kapitalgesellschaften geht, entscheidet oft ein unscheinbares Detail darüber, ob Grunderwerbsteuer anfällt: Was genau zählt als »Anteil der Gesellschaft« und worauf ist bei Personengesellschaften abzustellen – auf die sachenrechtliche Mitberechtigung »zur gesamten Hand« oder auf die vermögensmäßige Beteiligung am Gesellschaftskapital? Genau an dieser Schnittstelle zwischen Zivilrecht und Steuerrecht setzt die aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts Münster an und klärt die steuerliche Problemstellung für Fälle, in denen ein Gesellschafter eine grundbesitzende Personengesellschaft bereits kapitalmäßig beherrscht und später noch den Anteil eines nur »köpfig« mitberechtigten, aber am Kapital unbeteiligten Gesellschafters erwirbt.
Im entschiedenen Streitfall war die Klägerin zunächst als GmbH & Co. KG zu 100 % am Vermögen der grundbesitzenden T. GmbH & Co. KG beteiligt; Komplementärin der T. GmbH & Co. KG war eine X GmbH ohne Kapitalbeteiligung. Die Klägerin wurde anschließend formwechselnd in eine GmbH umgewandelt, und die Alleingesellschafterin der Klägerin brachte ihren Geschäftsanteil an der X GmbH in die Klägerin ein. Jahre später nahm die Alleingesellschafterin der Klägerin auf ihrer Ebene eine Kapitalerhöhung vor. Nach einer Betriebsprüfung bejahte das Finanzamt einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und verneinte zudem die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG wegen nicht eingehaltenen Fristen. Die Klägerin hielt dem entgegen, dass sie schon vor der Einbringung der X GmbH zu 100 % am Vermögen der grundbesitzenden KG beteiligt war.
Das Finanzgericht Münster gab der Klage statt. Es entschied am 16.1.2025 unter dem Aktenzeichen 8 K 2751/21 F, dass kein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorliegt, weil die Klägerin bereits vor der Einbringung mindestens 95 % (im Sinne der damaligen Rechtslage) – tatsächlich 100 % – der maßgeblichen Anteile hielt. Maßgeblich ist nach Auffassung des Gerichts auch bei der unmittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft die vermögensmäßige Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen. Damit greift der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht erneut ein, wenn der Erwerber schon zuvor die 95 %-Schwelle kapitalmäßig erreicht hatte.
Zur Begründung stellt das Gericht zunächst den gesetzlichen Prüfungsweg heraus: § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfasst Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übertragung von Anteilen begründen, wenn dadurch unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile in einer Hand vereinigt würden. Ist diese Vereinigung bereits vor dem Rechtsgeschäft erreicht, fehlt es am steuerbaren Tatbestand. Entscheidend ist daher, was als »Anteile der Gesellschaft« gilt. Das Gericht betont, dass der Zweck der Norm auf die Beherrschung des grundbesitzenden Rechtsträgers zielt. Diese Beherrschung spiegelt sich typischerweise in den Kapitalbeteiligungen wider. Wer 95 % oder mehr am Gesellschaftskapital einer grundbesitzenden Personengesellschaft hält, kann seinen Willen in grunderwerbsteuerlich erheblicher Weise durchsetzen. Ein späterer Erwerb des Anteils eines nur »köpfig« mitberechtigten, kapitalmäßig, aber unbeteiligten Komplementärs ändert an dieser Beherrschung nichts.
Die obersten Finanzrichter hatten früher für Fälle unmittelbarer Beteiligungen an Personengesellschaften noch stärker auf die gesamthänderische Mitberechtigung abgestellt. In einem Urteil vom 12.3.2014 unter dem Aktenzeichen II R 51/12 stellte der Bundesfinanzhof heraus, dass auch ein Gesellschafter ohne Kapitalbeteiligung gesamthänderischer Mitinhaber ist. Daraus wurde abgeleitet, dass es keine unmittelbare Vereinigung von mindestens 95 % der »Anteile« einer Personengesellschaft geben kann, weil stets alle Gesellschafter zur gesamten Hand mitberechtigt sind. Das Finanzgericht Münster grenzt sich hiervon ab. Es verweist darauf, dass das oberste Finanzgericht seine Sicht bei mittelbaren Anteilsvereinigungen bereits fortentwickelt hat und dort auf die Vermögensbeteiligung abstellt; diese Wertung sei folgerichtig auch auf unmittelbare Beteiligungen zu übertragen.
Zur Abrundung verweist das Gericht auf die Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: Für mittelbare Anteilsvereinigungen hat das oberste Finanzgericht mehrfach klargestellt, dass die Beteiligung am Gesellschaftskapital der zwischengeschalteten Personengesellschaft maßgeblich ist, etwa mit Urteilen vom 27.9.2017 unter dem Aktenzeichen II R 41/15 sowie vom 28.2.2024 unter dem Aktenzeichen II R 7/22.
Besonders wichtig ist außerdem die Entscheidung vom 27.5.2020 unter dem Aktenzeichen II R 45/17, in der die Richter ausdrücklich darauf hinweisen, dass vieles dafür spricht, auch bei unmittelbaren Beteiligungen an Personengesellschaften auf die Kapitalbeteiligung abzustellen. Das Finanzgericht Münster macht diesen Gedanken nun zur tragenden Grundlage seiner Entscheidung.
Übertragen auf den Streitfall bedeutet das: Die Klägerin hielt bereits vor der Einbringung der X GmbH mindestens 95 % der relevanten Anteile an der grundbesitzenden T. GmbH & Co. KG, nämlich 100 % des Gesellschaftskapitals. Der spätere, mittelbare Erwerb des Anteils der X GmbH – die am Kapital der KG gerade nicht beteiligt war – führte deshalb nicht zu einer erstmaligen oder erneuten Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile. Ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG lag nicht vor. Auf etwaige Fristen und Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a GrEStG kam es damit nicht mehr an.
Für die Praxis lässt sich als Kernaussage festhalten: Bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kommt es – auch bei unmittelbaren Beteiligungen an einer grundbesitzenden Personengesellschaft – auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital an. Ist die 95 %-Schwelle bereits kapitalmäßig erreicht, löst die spätere Einbeziehung eines nur gesamthänderisch mitberechtigten, aber kapitalmäßig unbeteiligten Gesellschafters keinen weiteren grunderwerbsteuerlichen Tatbestand aus.
Hinweis: Die in diesem Mandantenbrief enthaltenen Beiträge sind nach bestem Wissen und Kenntnisstand verfasst worden. Sie dienen nur der allgemeinen Information und ersetzen keine qualifizierte Beratung in konkreten Fällen. Eine Haftung für den Inhalt dieses Informationsschreibens kann daher nicht übernommen werden.
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