1. Allgemeines
Inhalt des Strafrechts ist die Ahndung von
Straftaten.
Eine Straftat liegt vor, wenn
- ein
menschliches Verhalten, Handeln oder Unterlassen den Tatbestand eines
Strafgesetzes erfüllt, sog. Tatbestandsmäßigkeit,
-
rechtswidrig ist (Rechtswidrigkeit) und
- dem Täter
persönlich zugerechnet werden kann (Schuld).
Tatbestandsmäßigkeit Der Tatbestand setzt sich zusammen aus dem
objektiven und dem subjektiven Tatbestand.
Objektiver
Tatbestand Beim objektiven Tatbestand muss neben einer Tathandlung
auch ein Taterfolg vorliegen. Zudem muss der Taterfolg auch durch die
Tathandlung verursacht worden sein, der sog. Kausalzusammenhang.
Als Tathandlung kommt die Tatbestandsverwirklichung durch ein aktives Tun
(Begehungsdelikt), aber auch durch ein Unterlassen (Unterlassungsdelikt) in
Betracht.
Bei der Steuerhinterziehung als Erfolgsdelikt ist die
Vollendung des Delikts abhängig vom Eintritt des im Tatbestand
beschriebenen Erfolges. Aus § 370 Abs. 4 Satz 1 AO ergibt sich, dass als
Taterfolg bei der Steuerhinterziehung im Bereich der Steuerfestsetzung die
Verkürzung der Steuer zu sehen ist, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe
oder auch nicht rechtzeitig festgesetzt worden ist. Dies gilt selbst dann,
wenn die Festsetzung vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
ergangen ist. Ebenso ist diese Definition des Taterfolges auch auf eine
Steueranmeldung, die einer Steuerfestsetzung
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, anzuwenden.
Die
durch den Tatbestand bestimmte Tathandlung muss auch den durch den
Tatbestand geforderten Erfolg verursacht haben. Der Tatbestand des § 370
Abs. 1 AO ist noch nicht mit Abgabe der unrichtigen Steuererklärung
erfüllt. Es muss auch noch zur Steuerfestsetzung auf Grund der unrichtigen
Steuererklärung kommen. Dies ist immer dann nicht der Fall, wenn der für
die
Veranlagung zuständige Finanzbeamte
die Unrichtigkeit erkennt oder die Steuer aus einem anderen Grunde zu
niedrig festgesetzt wird. Zur Bestimmung des Kausalzusammenhangs werden die
Adäquanztheorie, die Relevanztheorie, die Lehre von der objektiven
Zurechnung und die Äquivalenztheorie herangezogen. Im
Steuerstrafrecht wird der Äquivalenztheorie gefolgt, nach der jede
Bedingung eines Erfolges gleichermaßen Ursache ist. Da alle Ursachen
gleichwertig sind, wird zwischen bedeutsamen und nebensächlichen Ursachen
nicht unterscheiden. Demnach ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht
werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele,
dann auch Ursache i.S.d. Steuerstrafrechts.
Subjektiver
Tatbestand Vorsatz Als subjektiver Tatbestand muss
nach der finalen Handlungslehre Vorsatz gegeben sein. Andere Auffassungen
setzen noch weitere erforderliche subjektive Unrechtselemente voraus. Unter
Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung zu
verstehen. Wissen im
Steuerstrafrecht
bedeutet das Wissen um den Verstoß gegen steuerliche Vorschriften und den
damit verbundenen Erfolg der Steuerverkürzung. Wollen ist nicht unbedingt
immer gleichzusetzen mit dem Wunsch oder dem Streben nach dem Eintritt des
Erfolges. Auch wenn mit einer Tathandlung ein anderer Erfolg angestrebt
wird und dabei nebenbei der steuerliche Erfolg eintritt, kann eine
Steuerhinterziehung vorliegen.
Es gibt drei Formen des
Vorsatzes:
- Absicht
Der Täter strebt den
mindest möglich vorgestellten Erfolg an.
- Direkter
Vorsatz
Der Täter weiß oder sieht es als sicher an, dass er
den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht.
- Bedingter
Vorsatz
Der Täter hält den Eintritt des Erfolges für möglich
bzw. nimmt ihn billigend in Kauf.
Im Steuerstrafrecht ist in den meisten Fällen
bereits der bedingte Vorsatz ausreichend.
Hinweis: |
| Gem.§ 15 StGB ist allein vorsätzliches Handeln
strafbar, es sei denn, fahrlässiges Handeln wird ausdrücklich durch das
Gesetz mit Strafe bedroht. Kann der für eine Steuerhinterziehung i.S.d. §
370 AO erforderliche Vorsatz nicht festgestellt werden, so ist nach den
Umständen des Einzelfalls das Vorliegen einer leichtfertigen Tat gem. § 378
AO zu prüfen. In diesen Fällen ist auf die Fahrlässigkeit abzustellen.
|
Fahrlässigkeit Derjenige, der
die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen
Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, außer Acht
lässt, handelt fahrlässig.
Er handelt unbewusst fahrlässig, wenn
er den Erfolg, den er bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte
vorhersehen können, nicht vorhersieht.
Er handelt bewusst
fahrlässig, wenn er den Eintritt des Erfolgs zwar für möglich hält, aber
darauf vertraut, dass er nicht eintreten werde.
Die leichtfertige
Tat für die Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 378 AO liegt nur bei bewusster
Fahrlässigkeit vor.
Rechtswidrigkeit Ist der
Tatbestand, an den das Gesetz die Strafe knüpft, verwirklicht und liegen
keine Rechtfertigungsgründe vor, so ist die Tat rechtswidrig. Als
Rechtfertigungsgründe kommen u.a. in Betracht:
- Notwehr,
§ 32 StGB;
- Rechtfertigender Notstand, § 34 StGB;
- Defensivnotstand, § 228 BGB;
-
Aggressivnotstand, § 904 BGB;
- Recht auf vorläufige
Festnahme, § 127 StPO
- Beschlagnahme bzw. Durchsuchung,
§§ 94 ff. StPO;
- Rechtfertigende Pflichtenkollision.
Die Rechtfertigungsgründe sind nach dem Grundsatz der
Einheit der Rechtsordnung aus allen Rechtsgebieten und auch aus dem
Gewohnheitsrecht abzuleiten.
Hinweis: |
| Der Rechtfertigungsgrund des rechtfertigenden Notstands aus § 34
StGB findet bei Steuerstraftaten keine Anwendung. Der Erhalt des Betriebes
sowie der damit verbundenen Arbeitsplätze rechtfertigen in keinem Falle
eine Steuerhinterziehung durch die Abgabe unrichtiger
Steuererklärungen. |
Schuld
Ist die rechtswidrige Tat dem Täter vorzuwerfen, so ist sie schuldhaft
begangen worden. Vorwerfbar im strafrechtlichen Sinne bedeutet ein
"Dafür-Können" des Täters für seine fehlerhafte Einstellung.
Kinder unter 14 Jahren sind gem. § 14 StGB
schuldunfähig. Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren sind nach § 3 JGG
dann strafrechtliche verantwortlich, wenn sie zur Zeit der Tat nach ihrer
sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug sind, das Unrecht der Tat
einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. In solchen Fällen ist die
bedingte Strafmündigkeit festzustellen. Heranwachsende im Alter von 18 bis
21 Jahren und Erwachsene sind schuldfähig; es sei denn, es liegt ein Fall
der Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen i.S.d. § 20 StGB oder der
verminderten Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB vor.
Beim Täter muss
ferner ein Unrechtsbewusstsein gegeben sein. Unrechtsbewusstsein ist die
Einsicht, dass das Verhalten verboten ist. Dabei ist es ausreichend, wenn
der Täter unter Berücksichtigung der ihm zumutbaren Erkenntniskräfte und
Wertvorstellungen die Einsicht in das Unrecht der Tat gewinnen könnte.
Hinweis: |
| Fehlt das Unrechtsbewußtsein, so ist zu
prüfen, ob ein Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB gegeben ist. Danach handelt
der Täter ohne Schuld, wenn ihm bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht
zu tun, fehlt und er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Hätte der Täter
den Irrtum jedoch vermeiden können, so ist es möglich, die Strafe nach § 49
Abs. 1 StGB zu mildern. |
2.
Strafe
Eine
Steuerstraftat liegt vor,
wenn
- eine Handlung nach den Steuergesetzen strafbar ist
(§ 369 AO, Nr. 18 AStBV (St) 2011),
- eine Straftat durch
andere Gesetze der Steuerstraftat
gleichgestellt wird ( Nr. 19 AStBV (St) 2011).
Unter
Strafe wird zum einen die Ahndung kriminellen Unrechts, zum anderen die
Abgabe eines Unwerturteils über den Täter bzw. Teilnehmer einer Tat
verstanden. Abgelegt wird die Strafe gem. § 4 BZRG im Bundeszentralregister
mit Sitz in Berlin
Hinweis: |
| Kann eine
ausgesprochene Geldstrafe nicht eingebracht werden, so besteht die
Möglichkeit, diese in eine Freiheitsstrafe umzuwandeln. |
Gem. § 1 StGB kann eine Tat nur dann bestraft werden,
wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen
wurde. Dieser Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz" gilt somit für das
gesamte Strafrecht und damit auch für das
Steuerstrafrecht. Zur Tatzeit muss ein
geltendes, geschriebenes und hinreichend bestimmtes Gesetz vorhanden sein,
welches nach seinem Wortlaut auf die Tat anwendbar ist. Folglich enthält §
1 StGB
- das Verbot von Analogie und
Gewohnheitsrecht.
Allein geschriebenes Gesetz stellt die Grundlage
für eine Verurteilung durch den Richter dar. Eine analaoge Anwendung eines
Gesetzes ist nicht möglich.
- das
Bestimmtheitsgebot.
Es dürfen nur solche Strafgesetze vom
Gesetzgeber erlassen werden, in denen die strafbare Handlung auch
hinreichend genug beschrieben ist,
- sowie das
Rückwirkungsverbot.
Ist die Tat bereits vor Geltung des sachlich
einschlägigen Strafgesetzes begangen worden, so darf die rückwirkende
Anwendung dieses Strafgesetzes nicht angeordnet werden. Eine Bestrafung
nach diesem Gesetz ist nicht zulässig.