1. Allgemeines
Seit dem 1. Januar 2004 baut der Fiskus bislang
steuerunehrlichen Bürgern die sogenannte "Brücke in die Steuerehrlichkeit".
Gesetzlich umgesetzt wurde dies durch das StraBEG. Schon nach wenigen Tagen
Gültigkeit des Gesetzes hat sich jedoch herausgestellt, dass dieses in
vielen Fällen mehr Fragen als Antworten aufwirft. Diese Antworten zu geben
versucht ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 3.
Februar 2004. Wir stellen Ihnen nachstehend die wichtigsten Punkte vor,
insbesondere diejenigen Punkte, deren Antwort sich nicht ausdrücklich aus
dem Gesetzestext als solchem ergibt.
Durch das StraBEG angesprochen
sind u.a. Kapitalanleger, die ihr Kapitalvermögen im Ausland angelegt
haben. In solchen Fällen ist die Erlangung der Steuerfreiheit möglich, ohne
dass das Kapital nach Deutschland überführt wird.
Die Regelungen
des StraBEG treten neben die bereits seit langem geltenden Vorschriften
über die Selbstanzeige. Die Selbstanzeigemöglichkeit bleibt weiterhin
bestehen.
2. Strafbefreiende Erklärung
Voraussetzung für
eine wirksame strafbefreiende Erklärung (
Strafbefreiungserklärung) ist, dass eine
Steuerhinterziehung, eine gewerbsmäßige oder bandenmäßige
Steuerhinterziehung, eine gewerbsmäßige oder bandenmäßige Schädigung des
Umsatzsteueraufkommens, eine
leichtfertige
Steuerverkürzung, eine Steuergefährdung oder eine Schädigung des
Umsatzsteueraufkommens vorliegt. Der Versuch einer solchen Straftat reicht
nicht aus.
In Unterlassungsfällen (Nichtabgabe einer
Steuererklärung) ist immer wieder fraglich, wann die Versuchsgrenze
überschritten wird. Die herrschende Meinung besagt, dass dies dann der Fall
ist, wenn die Veranlagungsarbeiten für das betreffende Kalenderjahr im
jeweiligen Finanzamt zu 95 % durchgeführt worden sind.
Bei einer
nicht grob fahrlässigen (leichtfertigen) sondern nur leicht fahrlässigen
Steuerverkürzung greifen die Bestimmungen des Gesetzes nicht. In solchen
Fällen ist eine berichtigte Erklärung im Sinne des § 153 AO abzugeben.
Die Strafbefreiung wird nur erlangt, wenn in der Zeit vom 1. Januar
2004 bis 31. Dezember 2004 eine strafbefreiende Erklärung abgegeben wurde
und innerhalb von zehn Tagen nach Abgabe dieser Erklärung, spätestens aber
bis zum Ablauf des 31. Dezember 2004, 25 % der Summe der erklärten Beträge
an das Finanzamt gezahlt worden sind. Bei Abgabe der strafbefreienden
Erklärung zwischen dem 22. Dezember 2004 und dem 31. Dezember 2004, muss
die Zahlung spätestens am 31. Dezember 2004 erfolgt sein. Die zehntägige
Zahlungsfrist gilt in diesem Fall nicht.
Wird die strafbefreiende
Erklärung zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 31. März 2005 abgegeben, kann
Strafbefreiung erlangt werden, wenn innerhalb von zehn Tagen nach Abgabe
dieser Erklärung, spätestens aber bis zum Ablauf des 31. März 2005, 35 %
der erklärten Einnahmen entrichtet werden. Sofern die strafbefreiende
Erklärung zwischen dem 22. März 2005 und dem 31. März 2005 abgegeben wird,
muss die Zahlung spätestens am 31. März 2005 erfolgt sein. Die zehntägige
Zahlungsfrist gilt in diesem Fall nicht.
Für den Fall, dass dem
Finanzamt eine Einzugsermächtigung für Steueransprüche erteilt wurde,
sollte bei Abgabe der strafbefreienden Erklärung auch eine Aussage dazu
gemacht werden, ob die Einzugsermächtigung auch für die pauschale Steuer
(25 % / 35 %) gelten soll.
Wer eine strafbefreiende Erklärung nach
dem StraBEG abgibt, trägt ein erhebliches Risiko. Nämlich das Risiko, dass
die Einnahmen nicht vollständig oder unzutreffend erklärt werden oder aber
die Zahlung nicht oder nicht fristgerecht erfolgt. Sollte ein
Steuerpflichtiger einen Teil der Einnahmen vergessen, sieht er sich
insoweit der normalen Strafverfolgung ausgesetzt.
Soweit die
Steuerstraftat oder Ordnungswidrigkeit nach
dem 17. Oktober 2003 begangen worden ist, ist die Abgabe einer
strafbefreienden Erklärung ausgeschlossen. Insoweit greift dann wieder nur
die Selbstanzeigemöglichkeit. Das gilt beispielsweise in den Fällen, in
denen nach dem 17. Oktober 2003 eine falsche Steuererklärung für 2002
abgegeben wurde.
3. Ermittlung der Einnahmen
Die Einnahmen
müssen nicht auf Euro und Cent genau angegeben werden. Vielmehr hat der
Gesetzgeber Vereinfachungsregelungen vorgesehen. Insoweit unterscheidet der
Gesetzgeber zwischen der
Einkommen- oder
Körperschaftsteuer einerseits, der
Gewerbesteuer andererseits und drittens der
Umsatzsteuer.
Bei Hinterziehung
von
Einkommen- oder Körperschaftsteuer
sind sowohl bei unversteuerten Gewinneinkünften (z.B. aus Gewerbebetrieb)
als auch bei unversteuerten Überschusseinkünften (z.B. aus Kapitalvermögen
und Vermietung und Verpachtung) die zu Unrecht nicht versteuerten Einnahmen
anzugeben.
Zu Grunde zu legen sind dabei die Brutto-Einnahmen
einschließlich
Umsatzsteuer. Das gilt auch
bei der Gewinnermittlung durch Bilanzierung.
Unterliegen Einnahmen
nur zum Teil der
Einkommen- oder
Körperschaftsteuer, ist nur dieser Anteil zu berücksichtigen. Das gilt
insbesondere bei dem bislang fehlerhaften Ansatz von Einkünften, die dem
Halbeinkünfteverfahren unterliegen und bei
Renten. Insoweit ist nur der hälftige Anteil bzw. nur der
Ertragsanteil anzugeben.
Bei nicht
erklärten "Spekulationsgeschäften" ist der Veräußerungserlös einschließlich
Umsatzsteuer abzüglich der Anschaffungs-
oder Herstellungskosten anzugeben.
Freibeträge, die bei der Ermittlung der
Einkünfte zu berücksichtigen wären, sind
nicht von den Einnahmen abzuziehen, da sie pauschal als abgegolten
gelten.
Hat das Finanzamt die Steuer wegen Nichtabgabe der
Steuererklärung auf der Grundlage einer zu niedrigen Schätzung von
Einnahmen festgesetzt, sind die Einnahmen nur hinsichtlich des die
Schätzung übersteigenden Anteils anzusetzen.
Unterliegen Einnahmen
nicht der deutschen Einkommensteuer, wohl aber dem sogenannten
Progressionsvorbehalt, beträgt die
Bemessungsgrundlage null. Gleichwohl müssen die Einnahmen erklärt werden.
Bei Erträgen, die einem Steuerabzug unterliegen (
Bauabzugssteuer, Lohnsteuer,
Kapitalertragsteuer) ist die Brutto-Einnahme
ohne Minderung um die Abzugssteuer maßgebend.
Sind im Zusammenhang
mit den nicht versteuerten Einnahmen höhere, aber steuerlich bislang nicht
berücksichtigte
Betriebsausgaben oder
Werbungskosten angefallen, kann eine
Selbstanzeige nach altem Recht günstiger sein als die strafbefreiende
Erklärung. Eine Günstigerprüfung erfolgt jedoch nicht durch das Finanzamt.
Diese müssen Sie selber vornehmen.
Soweit Steuern durch die
Geltendmachung tatsächlich nicht angefallener
Betriebsausgaben oder
Werbungskosten o. ä. verkürzt worden sind,
sind diese Ausgaben in voller Höhe in die Bemessungsgrundlage
einzubeziehen. Das gilt auch für zu Unrecht vorgenommene
Abschreibungen.
Hinsichtlich der
Gewerbesteuer sind lediglich zehn Prozent der
gewerbesteuerpflichtigen Einnahmen anzusetzen. Einnahmen in diesem Sinne
sind auch zu Unrecht nicht berücksichtigte Hinzurechnungen nach § 8 GewStG
(z.B. Dauerschuldzinsen).
Freibeträge sind
auch hier nicht zu berücksichtigen.
Umsatzsteuerlich sind 30 % der
Brutto-Einnahmen anzugeben. Zu Unrecht abgezogene Vorsteuern sind mit 200
Prozent als Einnahmen anzugeben.
4. Erklärungsberechtigte
Personen
Erklärungsberechtigt ist vor allem der Täter der
Steuerhinterziehung. Aber auch Vertreter, Vermögensverwalter oder
Verfügungsberechtigte. Ist die Vertretung, Verwaltung oder Berechtigung
erloschen, kann auch der
Steuerschuldner
in Fällen, in denen der Vertreter etc. die Falscherklärung abgegeben hat,
die strafbefreiende Erklärung abgeben. Beispielsweise in den Fällen, in
denen ein inzwischen Volljähriger erkennt, dass sein früherer gesetzlicher
Vertreter falsche Steuererklärungen für ihn abgegeben hat.
Angehörige der steuerberatenden Berufe (Steuerberater) können dann,
wenn sie nicht selber Täter waren, keine strafbefreiende Erklärung
abgeben.
Strafbefreiende Erklärungen können auch durch
Gesamtrechtsnachfolger (Erben) abgegeben werden.
5. Inhalt,
Form und Adressat der strafbefreienden Erklärung
In der
strafbefreienden Erklärung ist die zu entrichtende Steuer zu berechnen.
Die Erklärung ist nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck abzugeben und
eigenhändig zu unterschreiben. Erklärungen, die nicht nach amtlich
vorgeschriebenem Vordruck abgegeben oder vom Erklärenden nicht eigenhändig
unterschrieben wurden, führen nicht zur Strafbefreiung.
Eine Abgabe
per Telefax oder durch elektronische Übermittlung ist unwirksam.
In
der Erklärung sind die erklärten Einnahmen nach Kalenderjahren und zu
Grunde liegenden Lebenssachverhalten zu spezifizieren. Fehlt in einer
strafbefreienden Erklärung die Spezifizierung, tritt keine Straffreiheit
ein. Allein die Angabe der Summe der verkürzten Einnahmen und die Zahlung
der pauschalen Steuer reicht daher nicht aus.
Der jeweilige
Lebenssachverhalt ist für die Bezeichnung der Einnahmequelle und/oder die
Art der Tätigkeit zu konkretisieren. Beispielsweise reicht es zur
hinreichenden Spezifizierung aus, wenn angegeben wird:
- Zinsen aus ... (z.B. Lichtenstein) ... mit Angabe des
Kreditinstituts
- nicht gebuchte Provisionseinnahmen
- Einnahmen aus ... (z.B. Veräußerung von privaten
Wertpapieren)
- fingierte Werbungskosten wegen ... (z.B. Fahrtkosten)
- fingierte Betriebsausgaben wegen ... (z.B. privaten
Reparaturkosten)
- Vorsteuerabzüge aus ... (z.B.
fingierten Rechnungen)
- Einnahmen aus Erbschaft oder
Schenkung.
Die Angabe anderer Tatbeteiligter ist nicht
erforderlich.
Die strafbefreiende Erklärung ist bei der für den
Schuldner der hinterzogenen Steuer zuständigen Finanzbehörde abzugeben.
Also im Regelfall entweder beim Betriebsstättenfinanzamt oder beim
Wohnsitzfinanzamt. Bei Gesellschaften oder Gemeinschaften ist die Erklärung
regelmäßig bei dem für die gesonderte Feststellung der gemeinschaftlich
erzielten
Einkünfte zuständigen Finanzamt
abzugeben.
6. Umfang der Strafbefreiung
Die Strafbefreiung
erstreckt sich auf alle Taten nach dem 31. Dezember 1992 und vor dem 01.
Januar 2003 soweit es um
Einkommen-,
Körperschaft-,
Umsatz-, Vermögen-,
Gewerbesteuer sowie Erbschaft- und
Schenkungsteuer geht. Auch Zuschlagsteuern,
Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und
Steuerabzugsbeträge (z.B.
Kapitalertragsteuer) sind erfasst.
Werden verdeckte Gewinnausschüttungen aufgedeckt, erstreckt sich die
Straffreiheit auch auf die Verkürzung von Einkommensteuer durch den
Anteilseigner.
Die Strafbefreiung erstreckt sich auf alle
Tatbeteiligten, somit auch auf Gehilfen. Die Tatbeteiligten müssen
allerdings in der strafbefreienden Erklärung nicht namentlich angegeben
werden.
Durch § 6 des
StraBEG wird die Wirkung der strafbefreienden Erklärung auch auf
Steuerordnungswidrigkeiten (leichtfertige
Steuerverkürzungen) etc ausgedehnt.
8. Ausschluss der Straf-
oder Bußgeldfreiheit
Straf- oder Bußgeldfreiheit tritt nicht ein,
soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der
Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist. Der sachliche Umfang
der Ausschlusswirkung richtet sich insoweit nach dem Inhalt der
Prüfungsanordnung.
Die Ausschlusswirkung beginnt in dem Augenblick,
in dem der Prüfungsbeamte für den betroffen Steuerzahler erkennbar mit
seinen Ermittlungsmaßnahmen beginnt. Die bloße Ankündigung seiner Prüfung
löst noch keine Sperrwirkung aus.
Ist das steuerliche
Ermittlungsverfahren vor Eingang einer strafbefreienden Erklärung bereits
abgeschlossen (die Betriebsprüfung ist beendet) kann für Einnahmen, die im
Rahmen der Prüfung nicht festgestellt worden sind, gleichwohl eine
strafbefreiende Erklärung abgegeben werden.
Die Straf- oder
Bußgeldfreiheit tritt außerdem nicht ein, wenn vor Eingang der
strafbefreienden Erklärung wegen einer
Steuerstraftat ein Fahndungsprüfer zur
Ermittlung einer
Steuerstraftat oder einer
Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Voraussetzung ist, dass bereits
ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.
Weiterhin tritt die Straf- oder Bußgeldfreiheit nicht ein, soweit die
Steuerstraftat vor Eingang der
strafbefreienden Erklärung bereits entdeckt war und der Erklärende dies
wusste oder bei verständiger Würdigung damit rechnen musste. Eine
Entdeckung der Tat erfordert nicht die zur Verurteilung erforderliche
Überzeugung, sondern es reicht die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung
auf Grund einer vorläufigen Tatbewertung aus. Ein bloßer Anfangsverdacht
ist somit nicht ausreichend.
9. Sachlicher Umfang der
steuerlichen Abgeltungswirkung
Die zu Grunde liegenden Steueransprüche,
die - z.B. - wegen einer Steuerhinterziehung nicht festgesetzt oder nicht
erfüllt wurden, erlöschen, sobald durch eine strafbefreiende Erklärung und
fristgerechte Zahlung des entsprechenden pauschalen Steuerbetrages Straf-
oder Bußgeldfreiheit eintritt.
Die Erlöschenswirkung umfasst auch
Zuschlagsteuern, z.B. Kirchensteuern und
Solidaritätszuschlag.
Die
Finanzverwaltung darf strafbefreiende Erklärungen nicht zum Anlass nehmen,
ein steuerliches oder strafrechtliches Ermittlungsverfahren
einzuleiten.
10. Persönlicher Umfang der steuerlichen
Abgeltungswirkung
Die Abgeltungswirkung erstreckt sich auf den
Steuerschuldner sowie auf alle anderen
Personen, die neben ihm Gesamtschuldner sind.
11. Einzelne
Besonderheiten
Der nach dem StraBEG zu entrichtende Betrag (25
Prozent/35 Prozent) gilt als Einkommensteuer. Daher ist die pauschale
Steuer nicht als Betriebsausgabe oder
Werbungskosten abziehbar.
Ist eine
strafbefreiende Erklärung formal mangelhaft, kann das zuständige Finanzamt
innerhalb eines Monats nach Eingang auf die behebbaren formalen Mängel der
strafbefreienden Erklärung hinweisen und dem Erklärenden Gelegenheit geben,
diese Mängel binnen eines weiteren Monats zu beheben. Wird eine formal
mangelhaft strafbefreiende Erklärung nicht innerhalb eines Monats nach
Eingang beanstandet, sind diese Mängel unbeachtlich.
Eine
fehlgeschlagene strafbefreiende Erklärung (z.B. wegen eines nicht
behebbaren Mangels) kann in eine Selbstanzeige umgedeutet werden.
Jeder Betroffene kann selber entscheiden, ob und inwieweit er für
bestimmte Lebenssachverhalte eine strafbefreiende Erklärung oder eine
Selbstanzeige abgibt. Diese Wahl ist unbeschränkt. Angesichts der
unterschiedlichen finanziellen Auswirkungen sollten beide Alternative
durchgerechnet werden.