1. Allgemeines
Zinsaufwendungen für Fremdkapital im Betrieb, das
durch nicht betrieblich veranlasste Vermögensminderungen verursacht ist,
sollen nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden. Die Bemessungsgrundlage
für solche schädlichen Vermögensminderungen knüpft an dem in jedem
Veranlagungszeitraum im Betrieb befindlichen Eigenkapital aus
Einlagen und Gewinn abzüglich bereits
erfolgter
Entnahmen eines Jahres an. Durch
§ 4 Abs. 4a EStG wird ein fiktiver Anteil der betrieblich veranlassten
Schuldzinsen als nicht abziehbar eingestuft. Es ist nicht erforderlich,
dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer bestimmten Entnahme und
den nicht abziehbaren Schuldzinsen besteht.
Die Vorschrift des § 4
Abs. 4a EStG wurde erstmals mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002
vom 24.03.1999 in das EStG eingefügt. Mit dem Gesetz zur Bereinigung von
steuerlichen Vorschriften vom 22.12.1999 wurde die Vorschrift jedoch
rückwirkend völlig neu gefasst, sodass ihre ursprüngliche Fassung nie
Rechtswirkungen entfalten konnte.
Durch das Gesetz zur Umrechnung
und Glättung steuerlicher Euro-Beträge vom 19.12.2000 wurde der
Sockelbetrag von 4.000 DM in 2.050 EUR abgeändert. Durch das Gesetz zur
Änderung steuerlicher Vorschriften vom 20.12.2001 erfolgten folgende
Änderungen bzw. Klarstellungen:
Gesetzesänderungen:
- Abschaffung der in Satz 3 enthaltenen Quartalsregelung.
- Ermittlung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a EStG ohne die sich nach
dieser Vorschrift ergebenden nicht abziehbaren Schuldzinsen.
Gesetzliche Klarstellungen entsprechend der bisherigen
Verwaltungsauffassung:
- Über- und Unterentnahmen aus
Jahren, die vor dem 01.01.1999 enden, sind nicht zu berücksichtigen.
- Bei vor dem 01.01.1999 eröffneten Betrieben sind im Falle
der Betriebsaufgabe bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in das
Privatvermögen die Buchwerte nicht als Entnahme anzusetzen.
- Bei vor dem 01.01.1999 eröffneten Betrieben ist im Falle der
Betriebsveräußerung nur der Veräußerungsgewinn als Entnahme anzusetzen.
Die Gesetzesänderungen gelten seit dem Veranlagungszeitraum
2001. Die gesetzlichen Klarstellungen sind nach der Begründung der
Bundesregierung zum Gesetz seit 1999 zu beachten.
2.
Betriebliche Schuldzinsen
§ 4 Abs. 4a Satz 1 EStG bestimmt bei
Überentnahmen ein Abzugsverbot für solche Schuldzinsen, die nach dem
Veranlassungsprinzip im Grunde
Betriebsausgaben darstellen.
Betroffen sind Konten, die der Abwicklung des laufenden betrieblichen
Zahlungsverkehrs dienen.
Praxistipp: |
| Erfasst werden nicht Darlehnskonten und zwar selbst dann nicht,
wenn sie zur Begleichung des Sollsaldos auf dem Kontokorrentkonto
dienen. |
Kontokorrentkonto Die
einkommensteuerliche Behandlung der sog. gemischten Kontokorrentkonten,
d.h. Konten, über die sowohl laufende betriebliche als auch private
Zahlungsvorgänge abgewickelt werden, richtet sich nach dem
Veranlassungsprinzip und den sich hieraus ergebenden Folgerungen. Auch hier
wird also - wie beim Darlehnskonto - § 4 Abs. 4a EStG nicht angewendet.
Bei einem Sollsaldo eines solchen Kontokorrentkontos nach dem Stand am
Ende eines Tages ist jede auf dem Konto erfolgte Buchung über laufende
Geldeingänge und Geldabgänge auf ihre betriebliche oder private
Veranlassung zu prüfen.
Hierzu ist das Kontokorrentkonto
rechnerisch in ein betriebliches und ein privates Unterkonto aufzuteilen.
Auf dem betrieblichen Unterkonto sind die betrieblich veranlassten und auf
dem privaten Unterkonto die privat veranlassten Sollbuchungen zu
erfassen.
Die Tilgung eines auf einem Kontokorrentkonto
entstandenen privaten Unterkontos erfolgt in Bezug auf alle auf dem
Kontokorrentkonto eingehenden Geldzuflüsse nicht anteilmäßig, sondern
vorrangig im Verhältnis zum betrieblichen Unterkonto. Sämtliche
Habenbuchungen auf Grund von
Betriebseinnahmen und
Einlagen sind deshalb vorab dem privaten
Unterkonto gutzuschreiben.
Nur der Sollsaldo des betrieblichen
Unterkontos stellt eine Betriebsschuld dar. D.h. nur die Schuldzinsen, die
durch den Sollsaldo des betrieblichen Unterkontos veranlasst sind, können
als
Betriebsausgaben abgezogen werden. Die
Berechnung der abzugsfähigen Schuldzinsen erfolgt grundsätzlich nach der
Zinszahlenstaffelmethode.
Darlehnskonto Bei einem
Darlehn beruht dieses zwar auf einer einheitlichen zivilrechtlichen
Vertragsgrundlage, dennoch liegt eine Betriebsschuld nur bei einer
vollumfänglichen betrieblichen Veranlassung vor. Werden die Mittel eines
einheitlichen Darlehns gemischt verwendet, d.h. teilweise für betriebliche
und im Übrigen für private Zwecke oder für Kosten der Lebensführung, so
kann diese Verbindlichkeit nur in dem der Verwendung des Darlehns für
betriebliche Zwecke entsprechenden Umfangs als Betriebsvermögen ausgewiesen
werden. Dies gilt grundsätzlich während der gesamten Dauer der
Darlehnsverbindlichkeit. Die entsprechenden Schuldzinsen sind in einem
solchen Fall nur anteilig als
Betriebsausgaben abzugsfähig.
Die
Aufteilung eines derartigen Darlehnskontos in ein betriebliches und ein
privates Unterkonto kommt - im Gegensatz zum Kontokorrentkonto - nicht in
Frage.
Die teilweise Tilgung eines solchen einheitlichen und
gemischt verwendeten Darlehns kann nicht vorrangig einer bestimmten
Teilschuld zugeordnet werden, vielmehr werden durch eine teilweise Tilgung
die nur für einkommensteuerliche Zwecke gebildete betriebliche und private
Teilschuld im Verhältnis ihres Gewichtes getilgt.
3.
Überentnahme
Eine Überentnahme im Sinne der Vorschrift des § 4 Abs. 4a
EStG liegt vor, wenn jahresbezogen die
Entnahmen höher sind als die Summe aus Gewinn
und
Einlagen.
Hinweis: |
| Sofern keine Überentnahmen im jeweiligen Jahr
vorliegen, scheidet die Anwendung von § 4 Abs. 4a EStG aus. Die
betrieblichen Schuldzinsen sind dann in diesem Jahr in vollem Umfang
abzugsfähig. |
Die erforderliche Prüfung
einer Überentnahme ist betriebsbezogen vorzunehmen.
Hinweis: |
| Die Überentnahme wird begrenzt durch die Höhe der Entnahmen abzüglich der Einlagen eines Jahres. |
Hinweis:
|
| Obwohl § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG
eine Unterentnahme nicht ausdrücklich erwähnt, ist diese dennoch auch im
laufenden Jahr zu ermitteln, weil sich hierdurch eine Auswirkung entweder
auf die Ermittlung der Überentnahme des laufenden Jahres nach Satz 3 oder
auf die der zukünftigen Jahre ergibt. Eine Unterentnahme entsteht, wenn
ebenfalls jahresbezogen die Summe aus Einlagen und Gewinn höher sind als die Entnahmen. |
Verluste fließen in die Berechnung der Überentnahmen nicht mit ein, sie
erhöhen also die Überentnahmen nicht. Der auf Verlusten basierende
Finanzierungsbedarf sollte vom Grundgedanken des Gesetzgebers bei der
Neuregelung nicht getroffen werden. Der Verlust ist jedoch mit
Unterentnahmen vergangener und zukünftiger Wirtschaftsjahre zu verrechnen.
Entsprechendes gilt für einen Verlust, soweit er nicht durch einen
Einlagenüberschuss ausgeglichen wird. Verbleibende Verluste sind - ebenso
wie die Über- und Unterentnahmen - formlos festzuhalten.
Beispiel 1
| Verlust
100.000 EUR Keine Entnahmen und Einlagen Unterentnahme aus
vorangegangenem Jahr: 10.000 EUR Lösung: Der Verlust
bewirkt keine Überentnahme. Der Verlust ist mit der Unterentnahme des
Vorjahres zu verrechnen, sodass ein Verlustbetrag von 90.000 EUR zur
Verrechnung mit künftigen Unterentnahmen verbleibt. |
Beispiel 2
| Verlust 100.000 EUR Einlagen 80.000 EUR Nutzungsentnahme
7.200 EUR Unterentnahme aus vorangegangenem Jahr: 10.000 EUR
Lösung: Es besteht ein Einlagenüberschuss von 72.800 EUR
(80.000 EUR abzüglich 7.200 EUR). Der Einlagenüberschuss ist mit dem
Verlust zu verrechnen. In der Höhe, in der der Verlust von 100.000 EUR
nicht mit dem Einlagenüberschuss von 72.800 EUR verrechnet werden kann, ist
er mit der Unterentnahme des Vorjahres zu verrechnen. Der verbleibende
Verlust von 17.200 EUR (100.000 abzüglich 72.800 EUR abzüglich 10.000 EUR)
ist mit künftigen Unterentnahmen zu verrechnen. |
Hinzurechnungsbetrag Die nicht abziehbaren
Schuldzinsen betragen typisierend 6 % der Bemessungsgrundlage. Sie sind dem
Gewinn hinzuzurechnen.
Hinweis: |
| Der
tatsächliche Zinssatz für das Fremdkapital des Betriebes ist ebenso
unbeachtlich wie der tatsächliche Zeitpunkt der Entnahme und die daraus
resultierende mögliche Dauer, für die der "überentnommene" Betrag im
laufenden Jahr finanziert werden musste. |
Bemessungsgrundlage für den pauschalen Zinssatz bilden die
Überentnahmen des laufenden Jahres zuzüglich der Überentnahmen
vorangegangener Jahre und abzüglich der Unterentnahmen vorangegangener
Jahre.
Liegt im laufenden Jahr keine Überentnahme vor, ergibt sich
hiernach die Bemessungsgrundlage allein durch Überentnahmen abzgl.
Unterentnahmen aus vorangegangenen Jahren.
Über- und Unterentnahmen
sind jeweils getrennt aufsummiert von Jahr zu Jahr fortzuführen. Eine
Saldierung untereinander kommt für den Vortrag nicht in Betracht.
Unterentnahmen können sich lediglich durch die Verrechnung mit Verlusten
verringern. Überentnahmen können sich gegenüber dem Vortrag des Vorjahrs
niemals verringern. Eine Saldierung der Über- mit den Unterentnahmen kommt
nur zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des
Hinzurechnungsbetrages in Frage.
Sockelbetrag Der
Hinzurechnungsbetrag wird nach § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG auf die um 2.050 EUR
geminderten tatsächlich im Betrieb angefallenen Schuldzinsen begrenzt. Die
Schuldzinsen dürfen also bis zu einem Betrag von 2.050 EUR auf jeden Fall
abgeschrieben werden.
Gewinnhinzurechnung Die nach den
vorstehenden Regelungen typisierend ermittelten nicht abzugsfähigen
Schuldzinsen sind dem Gewinn hinzuzurechnen.
Schuldzinsen
Schuldzinsen sind alle laufenden und einmaligen Gegenleistungen in Geld
oder Geldeswert für die zeitlich begrenzte Überlassung von Fremdkapital. Zu
den maßgebenden Schuldzinsen gehören:
- laufende und
einmalige Zinsen,
- Damnum,
- Bereitstellungszinsen,
- Vorfälligkeitsentschädigungen,
- Nachzahlungs-,
Aussetzungs- und Stundungszinsen für betriebliche Steuern,
- Zinsen für partiarische Darlehn und
- der Zinsanteil
von Kaufpreisraten und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine
verzinsliche oder unverzinsliche aber abzuzinsende Forderungen handelt.
Schuldzinsen in diesem Sinne sind dagegen nicht:
- Geldbeschaffungskosten,
- Wechselkosten,
- Kontoführungs-,
- Kreditvermittlungs- oder
Hypothekenvermittlungs-,
- Schätz-,
- Bürgschafts-,
- Notar- und Grundbuchgebühren,
- lfd. Erbbauzinsen,
- Ertragsanteil von wiederkehrenden Leistungen sowie
- Gewinnzuschläge nach § 6b Abs. 7 oder § 7g Abs. 5 EStG.
Bei der Entscheidung über den Umfang der nicht abzugsfähigen
betrieblichen Schuldzinsen ist auf die im Jahr angefallenen und in der
Gewinnermittlung erfassten entsprechenden Aufwendungen abzustellen. Hierbei
sind die Gewinnermittlungsgrundsätze der § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG zu
beachten.
Berechnungsschema zur Ermittlung des
Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4a Sätze 3 und 4 EStG
Beispiel: |
| Überentnahmen lfd. Jahr 100.000 EUR
Überentnahmen vorangegangene Jahre 250.000 EUR Schuldzinsen
lfd. Jahr 10.000 EUR Lösung: |
Schuldzinsen aus Investitionsdarlehn Die Einschränkung des
Schuldzinsenabzugs erfasst nicht Schuldzinsen für Darlehn, die zur
Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von
Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet werden.
Hinweis: |
| Nicht zu den begünstigten Darlehn gehören solche, die
zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftgütern des Umlaufvermögens
oder für Erhaltungsaufwendungen an betrieblichen Anlagegütern aufgenommen
wurden. |
Nur bei einer unmittelbaren
Verwendung der Darlehnsmittel für diese begünstigten Wirtschaftsgüter
besteht dieser Veranlassungszusammenhang.
Hiernach ist ein
derartiger Veranlassungszusammenhang beispielsweise gegeben bei einem
gesonderten Darlehn, das ausschließlich der Begleichung von Anschaffungs-
oder Herstellungskosten eines begünstigten Wirtschaftsguts dient oder bei
einem Umschuldungsdarlehn, soweit das abgelöste Ursprungsdarlehn begünstigt
war.
Der hier erforderliche Veranlassungszusammenhang zwischen
einem Darlehn und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines
Wirtschaftsguts besteht z.B. nicht, wenn die Darlehnsmittel zunächst dem
Betriebsausgabenkonto oder dem betrieblichen Kontokorrentkonto
gutgeschrieben werden, ein Sollsaldo verbleibt und anschließend ohne engem
zeitlichem und betragsmäßigem Zusammenhang die
Anschaffungskosten oder Herstellungskosten für
ein im Grunde begünstigtes Wirtschaftsgut von diesem Konto beglichen
werden.
Berechnungsschema zur Ermittlung des maximalen
Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4a Sätze 5 und 6 EStG
Beispiel: |
| Typisiert nicht abzugsfähige Schuldzinsen nach § 4
Abs. 4a Satz 3 EStG: 6.000 EUR Schulzinsen insgesamt lfd. Jahr:
20.000 EUR davon Schuldzinsen für Investitionsdarlehn 12.000
EUR Lösung: |
4.
Anwendung bei der Einnahme-Überschussrechnung
Die vorstehenden
Grundsätze zu den nicht abzugsfähigen Schuldzinsen gelten auch bei der
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Hierbei sind die besonderen
Gewinnermittlungsgrundsätze dieser Gewinnermittlungsart, insbesondere das
Zu- und Abflussprinzip, uneingeschränkt zu berücksichtigen.
Aufzeichnungspflichten In § 4
Abs. 4a Satz 6 Halbsatz 2 EStG ist darüber hinaus die gesonderte
Aufzeichnung über
Entnahmen und
Einlagen nur bei dieser Gewinnermittlungsart
normiert. Diese Aufzeichnungspflicht besteht auch in Jahren, in denen keine
Schuldzinsen anfallen, weil diese Daten bei einer späteren Kreditaufnahme
zur Ermittlung der Über- und Unterentnahmen für abgelaufene Jahre benötigt
werden.
Für die Aufzeichnung der
Entnahmen und
Einlagen ist keine besondere Form
vorgeschrieben. Lassen sich diese Angaben aus den eingereichten Unterlagen
zur Gewinnermittlung oder der Steuererklärung entnehmen, ist dies
ausreichend.
Hinweis: |
| Werden die
erforderlichen Aufzeichnungen nicht geführt, wird dadurch die
uneingeschränkte Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen für Investitionsdarlehn
und der übrigen Schuldzinsen bis zum Sockelbetrag nicht berührt.
|
5. Gesamtschema zur Ermittlung des
Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4a EStG
