Die Lieferung gehört zu den im Umsatzsteuerrecht steuerpflichtigen
Leistungen. Der umsatzsteuerliche
Leistungsbegriff differenziert zwischen zwei Leistungsarten: Lieferung und
sonstige Leistung.
Die Lieferung unterscheidet sich von der sonstigen
Leistung dadurch, dass bei der Lieferung einem Dritten die Verfügungsmacht
an einem Gegenstand verschafft wird. Die Abgrenzung zur sonstigen Leistung
ist in Einzelfällen von Bedeutung, da verschiedene Vorschriften
hinsichtlich des Orts und des Zeitpunkts der Leistung bestehen oder
bestimmte Vergünstigungen nur für bestimmte Leistungsarten in Anspruch
genommen werden können.
1. Lieferungsinhalt
Nur
Gegenstände können geliefert werden. Die Beurteilung hinsichtlich des
Gegenstandsbegriffs wird dem Zivilrecht entnommen, allerdings beschränkt
auf die
körperlichen Gegenstände. Darüber hinaus sind auch andere
Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Sachen
behandelt werden, als Gegenstände anzusehen (BFH, 21.12.1988 - V R 24/87,
BStBl II 1989, 430). Auch
Sachgesamtheiten, die ein aus mehreren
selbstständigen Gegenständen bestehendes, einheitliches Ganzes darstellen,
dass mehr ist als die Summe der einzelnen Gegenstände, sind wie ein
Gegenstand zu behandeln.
Rechte sind zwar zivilrechtlich ebenfalls
Gegenstände, ihre Übertragung stellt aber umsatzsteuerlich immer eine
sonstige Leistung dar (BFH, 16.07.1970 - V R 95/66, BStBl II 1970, 706).
Das gilt auch für dingliche Rechte wie ideelle Miteigentumsanteile an einem
Gebäude.
Inhalt einer Lieferung können daher im Einzelnen sein:
- Körperliche Gegenstände (Sachen, § 90 BGB);
- Tiere (§ 90a BGB);
- Strom, Wärme, Wasserkraft,
Firmenwert, Kundenstamm;
- Sachgesamtheiten, wie z.B.
Warenlager.
2. Verschaffung der
Verfügungsmacht
Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist das Versetzen
des Abnehmers in die Stellung eines Eigentümers. Diese Rechtsänderung muss
von den Beteiligten auf Dauer gewollt sein. Die Verschaffung der
Verfügungsmacht ist ein tatsächlicher Vorgang, der in der Regel mit der
bürgerlich- rechtlichen Eigentumsübertragung zusammenfällt. Diese
Verbindung kann allerdings auch durchbrochen werden, da Zivil- und
Steuerrecht insoweit nicht immer deckungsgleich sind.
Beispiel: |
| Der Warenbestand, den der Getränkegroßhändler V in
Essen seiner Bank zur Sicherheit für eingeräumte Darlehn übereignet hat,
stellt zivilrechtlich Eigentum der Bank dar, eine Verschaffung der
Verfügungsmacht und damit eine steuerpflichtige Lieferung erfolgt
allerdings erst in dem Moment, in dem die Bank von ihrem Sicherungsrecht
Gebrauch macht und den Warenbestand auf eigene Rechnung verkauft. |
Eine Lieferung kann auch ohne Eigentumsübertragung erfolgen,
da auch bei Übertragung von Diebesgut durch den Hehler auf einen
gutgläubigen Erwerber eine Verschaffung der Verfügungsmacht vorliegt,
obwohl eine Eigentumsübertragung regelmäßig nicht erfolgen kann.
Abgesehen von diesen besonderen Ausnahmen erfolgt die Verschaffung der
Verfügungsmacht in der Regel entsprechend der Eigentumsübertragung durch
Einigung und
- Übergabe (§ 929 BGB),
-
Abschluss Mietvertrag o.ä. (§ 930 BGB),
- Abtretung eines
Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB),
- Übergabe eines sog.
Traditionspapiers (z.B. § 424 HGB, § 477 HGB),
-
Auflassung u. Eintragung bei Grundstücken (§ 925 BGB).
Gerade bei Grundstücken weicht der zivilrechtliche Zeitpunkt des
Eigentumsübergangs vom steuerlichen Zeitpunkt häufig ab, da hier in der
Regel der Erwerber steuerlich bereits im Vorfeld
wirtschaftlicher
Eigentümer wird, um den Übergang von Nutzen und Lasten nicht vom
Zeitpunkt der Grundbucheintragung abhängig zu machen.
3.
Abgrenzung zur sonstigen Leistung
In der Praxis treten häufig Fälle von
gemischten Leistungen auf, bei
denen sowohl Lieferungen erbracht als auch
sonstige Leistungen ausgeführt werden. Sind
diese einzelnen Teile nicht eindeutig abgrenzbar, handelt es sich um eine
einheitliche Leistung, die entweder als Lieferung oder als sonstige
Leistung einzustufen ist.
Entscheidend für die Einstufung ist, welche
Leistungselemente unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien
den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung bestimmen (BFH, 19.12.1991 - V R
107/86, BStBl II 1992, 449). So kann zum Beispiel die Überlassung von
Fotokopien eine Lieferung des Papiers oder eine sonstige Leistung in Form
der Übertragung einer Vorlage auf ein anderes Medium sein. Eine Lieferung
liegt regelmäßig vor, wenn aus den Kopien neue Gegenstände (Bücher,
Broschüren) hergestellt werden, an denen dem Abnehmer die Verfügungsmacht
verschafft und die als Lieferungen von Druckerzeugnissen nur ermäßigt
besteuert werden. Ansonsten handelt es sich um
sonstige Leistungen, die dem vollen
Steuersatz unterliegen.
4. Sonderfälle der Lieferung
Einen
Sonderfall der Lieferung stellen die sog.
Reihengeschäfte dar, bei
denen es für grenzüberschreitende Geschäfte Sonderregelungen gibt. Die
Behandlung innerhalb der EG weist noch weitere Besonderheiten auf. Vgl.
hierzu
innergemeinschaftliche
Dreiecksgeschäfte.
Die Reihengeschäfte werden zwischen mindestens
drei Personen über den selben Gegenstand abgeschlossen, die Warenbewegung
erfolgt unmittelbar vom ersten zum letzten Glied in der Reihe. Dabei
erhalten die Personen, die sich weder am Anfang noch am Ende der Reihe
befinden, zu keinem Zeitpunkt die Verfügungsmacht über den
Liefergegenstand. Gleichwohl wird an sie eine Lieferung erbracht und sie
selbst liefern auch wieder weiter.
Beispiel: |
| Der Apotheker S in Bochum bestellt bei seinem Großhändler M in
Dortmund eine Waage für seine Apotheke, auf der sich seine Kunden wiegen
können. Da M die Waage selber nicht vorrätig hat, wendet er sich an den
Hersteller W in Münster und bittet ihn, die Waage unmittelbar an S
auszuliefern. Lösung: Obwohl M nie die Verfügungsmacht über
die Ware erhält, wird gleichwohl eine Lieferung von W an ihn ausgeführt.
Dadurch ist er in der Lage, diesen Liefergegenstand selbst an S
weiterzuliefern. |
Ein weiterer Sonderfall
der Lieferung kann in Form einer
Werklieferung vorliegen. Dabei wird durch
den Unternehmer die Be- oder Verarbeitung eines Gegenstandes unter
Verwendung selbst beschaffter Stoffe vorgenommen.
Für eine
Werklieferung gelten die allgemeinen Regeln
für Lieferungen hinsichtlich Ort und Zeitpunkt sowie für die Anwendung von
möglichen
Steuerbefreiungen und den
Steuersatz.