Innergemeinschaftliche Lieferungen sind Lieferungen an andere Unternehmer
innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Bei Erfüllung entsprechender
Voraussetzungen werden sie wie eine steuerfreie Ausfuhrlieferung, also eine
Lieferung in Staaten, die nicht der
Europäischen Gemeinschaft angehören, behandelt. Somit werden grundsätzlich
alle Lieferungen im Unternehmensbereich aus dem Inland heraus steuerfrei
gestellt. Eine Besteuerung erfolgt erst in dem Land, in dem die Ware
verbraucht wird (Bestimmungsland). Innerhalb der EG wird dies durch die
Besteuerung als
innergemeinschaftlicher
Erwerb im Land des Lieferungsempfängers sichergestellt. Diese Regelung
wurde erforderlich, da durch den Wegfall der Grenzkontrollen ab dem
01.01.1993 eine Erhebung der bis dahin allgemein geltenden
Einfuhrumsatzsteuer nicht mehr möglich war. Daher wurde die Besteuerung von
grenzüberschreitenden Lieferungen innerhalb der EG auf die beteiligten
Unternehmer übertragen. Ausschließlich zu Kontrollzwecken muss der
Unternehmer, der innergemeinschaftliche Lieferungen erbringt, diese in eine
gesonderte Zusammenfassende Meldung aufnehmen. Die Steuerfreiheit wird
nicht gewährt, wenn die innergemeinschaftliche
Lieferung an einen Privatmann erfolgt oder
der Abnehmer den Gegenstand nicht für sein
Unternehmen erwirbt. Sonderregelungen gibt es
allerdings für
innergemeinschaftliche
Versendungslieferungen. Besondere Schwierigkeiten in der Praxis
bereitet das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft, wenn mehrere
Unternehmer in mehreren Mitgliedstaaten über denselben Gegenstand
Lieferverträge abschließen und alle Verträge anhand einer durchgehenden
Lieferung erfüllen.
1.
Voraussetzungen
1. | Lieferung eines Gegenstandes oder Verbringen
eines Gegenstandes von einer inländischen zu einer ausländischen
Betriebsstätte unternehmensintern; |
2. | Ort der Lieferung im Inland und Warenweg vom
Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet; |
3. | der
Erwerber ist Unternehmer und erwirbt für sein Unternehmen oder juristische Person und
erwirbt nicht für ihr Unternehmen oder
Käufer eines neuen Fahrzeugs; |
4. | der Erwerb des Gegenstandes
unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Staat der Besteuerung;
|
5. | Nachweis der obigen Angaben, insbesondere der Beförderung
oder Versendung; |
6. | Gesonderte Aufzeichnung der die
Lieferung betreffenden Daten.
|
Grundfall
| M in Münster verkauft eine Werkzeugmaschine an einen
Kunden in Frankreich und liefert die Maschine mit eigenem LKW nach Paris in
die Fabrik des Kunden. M erbringt eine steuerfreie
innergemeinschaftliche Lieferung, der
französische Kunde muss die erhaltene Lieferung der Erwerbsbesteuerung in
Frankreich unterwerfen. |
Hinweis: |
| Lieferer und Erwerber müssen im Besitz einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
(USt-IdNr.) sein, damit eine Überwachung durch das einheitliche
Kontrollverfahren möglich ist. Beide USt-IdNr. sind in die Rechnung aufzunehmen. Ist die Nummer des
Erwerbers im Zeitpunkt der Lieferung
ungültig oder für den Erwerber nicht gültig, verliert der Lieferer die
Steuerfreiheit, es sei denn, er hat sich die Gültigkeit durch das
Bestätigungsverfahren beim Bundesamt für Finanzen nachweisen lassen.
Der BFH hat in einem Urteil (BFH, 02.04.1997 - V B 159/96) entschieden,
dass ein Schutz des Guten Glaubens nicht in Betracht kommt, wenn trotz
erheblicher Geschäfte mit einem neuen unbekannten Kunden das
Bestätigungsverfahren für die Richtigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nicht in
Anspruch genommen wird. |
2. Zu den
einzelnen Voraussetzungen
Lieferung eines Gegenstandes Die
Steuerbefreiung gilt nur für eine
Lieferung, bei sonstigen
Leistungen ist sie nicht anzuwenden. Diese
muss durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt
ausgeführt worden sein. Lieferungen von Unternehmern außerhalb ihres
Unternehmens werden wie Lieferungen von Privatleuten behandelt und kommen
nicht in den Genuss der Steuerfreiheit. Auch juristische Personen können
nur steuerfreie Lieferungen innerhalb ihres Unternehmens erbringen, die
Lieferungen z.B. einer Gemeinde aus ihrem Hoheitsbereich fallen nicht
darunter.
Unternehmensinternes Verbringen eines Gegenstandes von
einer inländischen zu einer Betriebsstätte in einem anderen
EG-Mitgliedstaat ist gegeben, wenn dies nicht nur zur vorübergehenden
Verwendung erfolgt. Eine nicht vorübergehende Verwendung liegt vor, wenn
der Gegenstand Anlagevermögen der Betriebsstätte des anderen Staates wird,
dort als Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoff verarbeitet oder verbraucht wird
oder dort unverändert weiterverkauft werden soll. Die typischen Fälle
vorübergehender Verwendung sind Gegenstände, die zu Reparaturzwecken oder
zur Durchführung bestimmter Arbeiten eingesetzt werden oder auf Messen
vorgestellt werden, bei denen also die Verwendung der Art nach zeitlich
begrenzt erfolgt. Eine vorübergehende Verwendung kann auch dem Grunde nach
zeitlich begrenzt erfolgen, die Frist beträgt bspw. 6 Monate für
Straßenfahrzeuge, 12 Monate für wissenschaftliches Gerät und 24 Monate für
Berufsausrüstung, Modelle und Vorführwaren. Werden sie überschritten, so
gilt der Gegenstand als geliefert mit der Folge, dass auch die
Erwerbsbesteuerung vorgenommen werden muss. Die Fristen gelten nicht, wenn
ein Gegenstand im Rahmen einer sonstigen Leistung, z.B. einer Vermietung
oder einem Leasinggeschäft in einen anderen Staat verbracht wird.
Beispiel: |
| M in Münster bringt verschiedene
Werkzeugmaschinen und Ersatzteile in sein eigenes Auslieferungslager nach
Paris, ohne für die Waren schon Abnehmer zu haben. Das Verbringen
wird einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellt, die in Deutschland
steuerfrei ist. M muss in Frankreich den innergemeinschaftlichen Erwerb
besteuern. |
Werden Gegenstände nur zur
vorübergehenden Verwendung in einen anderen Mitgliedstaat verbracht und
später dort verkauft, wird in diesem Zeitpunkt ebenfalls eine
innergemeinschaftliche
Lieferung getätigt,
die eine entsprechende Erwerbsbesteuerung auslöst.
Beispiel: |
| M bringt einen Gabelstapler in sein französisches
Auslieferungslager, um dort größere Umräumarbeiten auszuführen.
Anschließend soll der Stapler zurück nach Deutschland geholt werden. Ein
französischer Kunde will den Stapler unbedingt haben und kauft ihn M zu
einem sehr guten Preis ab. |
Im Zeitpunkt
des Verbringens erfolgt keine innergemeinschaftliche
Lieferung, diese ist erst im Zeitpunkt des
Weiterverkaufs an den französischen Abnehmer getätigt.
Bei
Verkäufern auf Wochenmärkten und vergleichbaren Unternehmern sind nur die
Gegenstände als verbracht anzusehen, die tatsächlich weiterverkauft werden,
soweit unverkaufte Waren wieder mit zurückgenommen werden, liegt kein
innergemeinschaftliches Verbringen vor.
Ort der Lieferung Die
Bestimmungen über den
Ort der Lieferung
finden sich in § 3 Abs. 6 u. 7 UStG. Die Steuerfreiheit kann nur gewährt
werden, wenn die Ware in einen anderen Mitgliedstaat transportiert wird.
Die
Lieferung von Waren an einen
ausländischen Unternehmer, die dieser im Inland verbraucht, ist nicht
steuerfrei. Dies gilt z.B. für die
Lieferung von Benzin, dabei ist immer von
einem Verbrauch im Inland auszugehen. Bei der Warenbewegung können andere
Staaten, die nicht der EG angehören, durchquert werden, ohne die
Steuerfreiheit zu gefährden (Versandverfahren). Die Warenbewegung muss
nicht in dem Mitgliedstaat enden, in dem der Erwerber ansässig ist oder
unter dessen USt-IdNr. er auftritt. In diesen Fällen treten Schwierigkeiten
bei der Durchführung der Erwerbsbesteuerung auf, die dann vorläufig doppelt
vorgenommen wird.
Erwerber Die Steuerfreiheit gilt
grundsätzlich nur für Lieferungen innerhalb der Unternehmerkette,
Lieferungen an Privatpersonen oder Unternehmer für ihren privaten Bereich
sind davon ausgenommen, es sei denn neue Fahrzeuge werden geliefert.
Grundsatz Tritt der Abnehmer mit einer gültigen
USt-IdNr. eines anderen EG-Mitgliedstaates auf, spricht die Vermutung
dafür, dass er die Waren als Unternehmer für sein
Unternehmen erwirbt. In Zweifelsfällen,
insbesondere bei Waren, die auch für den Privatbereich bezogen werden
könnten, ist es ratsam, sich zusätzlich eine Bestätigung des Erwerbers
ausstellen zu lassen, aus der hervorgeht, dass ein Erwerb für das
Unternehmen erfolgt.
Neben den
typischen Unternehmern erfüllen die Abnehmervoraussetzungen auch
juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, also Städte,
Gemeinden, Kreise usw. sowie Vereine und Genossenschaften. Diese
Einrichtungen brauchen nicht Unternehmer zu sein bzw. können auch Waren für
ihren nichtunternehmerischen Bereich steuerfrei erwerben, da sie mit allen
ihren Erwerben der Erwerbsbesteuerung unterliegen. Das Gleiche gilt für die
Lieferung von neuen Fahrzeugen, Erwerber
kann jede Person sein, sie unterliegt immer der Erwerbsbesteuerung. Außer
den Erwerbern von Neufahrzeugen müssen alle Kunden mit einer USt-IdNr. aus
einem anderen Mitgliedstaat auftreten, müssen aber nicht dort ansässig
sein. Somit können u.U. auch deutsche Unternehmer, die mit einer USt-IdNr.
eines anderen Mitgliedstaates auftreten, Bezieher steuerfreier Lieferungen
sein.
Praxistipp: |
| Bestehen
Zweifel an der Unternehmereigenschaft des Käufers oder an der
unternehmerischen Verwendung insbesondere bei Abholfällen und Verkäufen
über den Ladentisch, kann der Lieferer zur Vermeidung eines eigenen Risikos
den Verkauf steuerpflichtig behandeln und den Abnehmer auf das
Vergütungsverfahren hinweisen. In Deutschland ist die Vergütung der Umsatzsteuer auch für steuerfreie Lieferungen
möglich. Die einschränkende Regelung der 6. EG-Richtlinie, die solche
Vergütungen nicht zulässt, ist bisher nicht in deutsches Recht umgesetzt
worden. |
Lieferung unterliegt der
Erwerbsbesteuerung Kunden, die mit einer USt-IdNr. eines anderen
Mitgliedstaates auftreten, erklären damit, dass sie in diesem Staat der
Erwerbsbesteuerung unterliegen und die erhaltene
Lieferung auch der Erwerbsbesteuerung
unterwerfen wollen. Soweit dies tatsächlich nicht der Fall ist, z.B. weil
sie für private Zwecke erwerben, geht die Steuerfreiheit der
Lieferung verloren. Eine Belastung des
Lieferanten kann unter bestimmten Voraussetzungen vermieden werden.
Vertrauensschutz
Nachweis der Voraussetzungen Sämtliche
Angaben, die erforderlich sind, um die Steuerbefreiung nachzuweisen, müssen
in den dem Lieferanten vorliegenden Belegen enthalten sein. Name, Anschrift
und USt-IdNr. des Kunden ergeben sich im Regelfall aus der
Rechnungsdurchschrift, Angaben über die Warenbewegung sind vom Einzelfall
abhängig. Die Voraussetzungen sind hierfür nicht so hoch wie bei
steuerfreien Ausfuhrlieferungen, da eine Kontrolle innerhalb der EG möglich
ist.
Im Einzelnen sind folgende Möglichkeiten zugelassen:
- Versendung Spediteurbescheinigung
- gemeinschaftliches Versandverfahren Bestätigung der Zollstelle
- Beförderung durch Lieferer
- Eigenbeleg über
den Bestimmungsort oder Abnehmer und Empfangsbestätigung des Abnehmers
- Beförderung zusätzlich Versicherung des Abnehmers durch
Abnehmer über Verbringung ins übrige Gemeinschaftsgebiet
Gesonderte Aufzeichnung Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit
müssen nach § 17c UStDV außerdem buchmäßig nachgewiesen werden. Da auch die
Rechnungen Bestandteil der Buchführung sind, müssen nur noch darin nicht
enthaltene Angaben gesondert aufgezeichnet werden. Ausführliche Angaben in
der
Rechnung machen es u.U. möglich, auf
gesonderte Aufzeichnungen zu verzichten.